Wir dachten, wir wüssten alles über gesunde Fette. Doch kürzlich haben Forscher eine lange unterschätzte Fettsäure wieder in den Fokus gerückt: C15:0.
Während gesättigte Fette oft pauschal verteufelt wurden und als nicht essenziell galten, deuten neueste Erkenntnisse darauf hin, dass genau diese besondere gesättigte Fettsäure vermutlich essenziell für uns sein könnte! Ja, etwas, das unser Körper dringend braucht und nicht selbst herstellen kann. Manche Studien legen sogar nahe, dass sie wirksamer als EPA (bekannt aus Omega-3) sein könnte. Ihre potenziellen Vorteile sind vielfältig: Sie soll deinen Stoffwechsel optimieren, die Leberregeneration unterstützen und sogar Anti-Aging-Effekte haben. Was wirklich hinter C15:0 steckt und was Delfine damit zu tun haben, das verraten wir dir in diesem Artikel
Was ist die C15:0 Fettsäure?
Die marine Forscherin Stephanie Venn-Watson wurde in ihrer Forschung mit Delfinen auf C15:0 aufmerksam. Sie untersuchte nämlich, wie Delfine gesünder altern können.
Dabei entdeckten sie zu ihrer Überraschung, dass Unterschiede im C15:0-Spiegel bei Delfinen der wichtigste Faktor waren, der zwischen gesunden und ungesunden alternden Delfinen unterschied.
Delfine mit niedrigen C15:0-Werten zeigten höhere Raten von metabolischem Syndrom, Fettleber, sogar Anzeichen der Alzheimer-Krankheit, hatten insgesamt eine schlechtere Alterung und starben früher. Als sie dann Delfinen auf Fischdiät mit vielen „ungeraden“ Fettsäuren setzte, führte dies zur Normalisierung von Triglyceriden, Glukose und Insulin sowie zur Beseitigung von Anämie.
Diese Erkenntnisse führten zur Untersuchung von Parallelen beim Menschen, wo ein C15:0-Mangel ebenfalls mit einer Vielzahl ähnlicher altersbedingter chronischer Krankheiten in Verbindung gebracht zu werden scheint. Die Forschungsgruppe von Stephanie Venn-Watson ist derzeit führend in diesem Bereich.
C15:0, oder auch Pentadekansäure genannt, ist eine gesättigte Fettsäure mit 15 Kohlenstoffatomen. Wer sich etwas mit der Chemie hinter Fettsäuren auskennt, weiß: Ungerade Kohlenstoffketten sind sehr selten. Die bekanntesten Fettsäuren sind allesamt gerade, wie Palmitinsäure (C16) oder Ölsäure (C18). C15:0 unterscheidet sich somit stark von anderen bekannten Fettsäuren.
Pentadekansäure ist zwar schon lange bekannt, doch die Relevanz im Körper wurde erst vor kurzem bewusst. C15:0 kommt natürlicherweise in geringen Mengen in bestimmten Lebensmitteln vor, die wichtigste Quelle ist Milchfett bzw. Vollmilchprodukte. Durch seine geringe Konzentration wurde C15:0 meist nicht beachtet und in wissenschaftlichen Untersuchungen ausgeschlossen. Dies trug dann auch dazu bei, dass gesättigte Fette häufig in einen Topf geschmissen und als ungesund deklariert wurden. Heute wissen wir, dass das zu reduktionistisch gedacht ist und dass auch gesättigte Fette sehr wichtig und förderlich sein können.
C15:0 Wirkung auf Zellmembranen: Stabilität, Schutz & weniger oxidative Schäden
Pentadecansäure spielt primär eine Rolle in der Stabilisierung von Zellmembranen.
Zellmembranen bestehen aus Fettsäuren, und die Zusammensetzung dieser Fettsäuren bestimmt ihre Eigenschaften, einschließlich ihrer Fragilität und der Neigung zur Fettoxidation, auch Peroxidation genannt. Ungesättigte Fettsäuren verleihen der Zellmembran eher Beweglichkeit, aber erhöhen auch das Risiko für Oxidation. Gesättigte Fettsäuren verleihen der Zellmembran eher Stabilität und verringern das Risiko für Oxidation. Beide sind wichtig und sollten ausgeglichen vorhanden sein.
C15:0 als gesättigte Fettsäure kann in die Zellmembran eingebaut werden und macht diese widerstandsfähiger gegen Lipidperoxidation. In Zellstudien stellt man fest, dass ein Gehalt unter 0,2 % in der Zellmembran diese anfällig für Peroxidation und Brüchigkeit macht. Inzwischen weiß man, dass Schäden an der Zellmembran ein Haupttreiber in der Alterung sind.
C15:0 und Mitochondrien: Mehr Energie, weniger freie Radikale
Die C15:0-Fettsäure zeigt vielversprechende Wirkung auf die Mitochondrien: Studien deuten darauf hin, dass C15:0 eine wichtige Rolle bei der Reparatur der mitochondrialen Funktion spielen kann. Es hilft diesen Zell-Kraftwerken, wieder effizienter zu arbeiten und die Energieproduktion zu verbessern.
Gleichzeitig kann C15:0 die Menge der schädlichen freien Radikale, die in den Mitochondrien entstehen, reduzieren. Dies sorgt nicht nur für eine bessere Energieversorgung auf Zellebene, sondern hilft auch dabei, deine Zellen vor Schäden zu bewahren und einen gesunden Alterungsprozess zu unterstützen.
C15:0 Wirkung auf die Leber: Schutz vor Fettleber und bessere Leberwerte
Die Leber ist eines der wichtigsten Organe für körperliches Wohlbefinden. Und hier zeigt die C15:0-Fettsäure besonders vielversprechendes Potenzial.
Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass C15:0 eine schützende Rolle für die Leber spielen könnte. Studien beobachten beispielsweise schon länger einen Zusammenhang: Menschen mit niedrigeren C15:0-Spiegeln im Blut scheinen häufiger Probleme mit der Leber zu haben, wie zum Beispiel die nicht-alkoholische Fettlebererkrankung (NAFLD), und zeigen oft schlechtere Leberwerte im Blut. Auch mehr Fett in der Leber wurde bei niedrigen C15:0-Spiegeln gefunden. Das ist ein erster Hinweis darauf, dass C15:0 wichtig für eine gesunde Leber ist.
Der Gesundheitswissenschaftler Christian Opitz geht davon aus, dass C15:0-Mangel eine der Hauptursachen von Fettleber ist.
In einer Pilotstudie erhielten übergewichtige junge Erwachsene über 12 Wochen hinweg täglich C15:0 oder ein Placebo. Das Ergebnis war spannend: Bei den Teilnehmern, deren C15:0-Werte im Blut signifikant anstiegen, verbesserten sich die Leberenzyme ALT und AST deutlich im Vergleich zur Placebogruppe. Verbesserte Leberenzyme sind ein wichtiges Zeichen dafür, dass die Leber weniger gestresst ist und besser funktioniert.
Warum hilft C15:0 der Leber so? Wahrscheinlich durch verschiedene Mechanismen: Es wirkt entzündungshemmend, schützt die Leberzellen vor Schäden und unterstützt deren Energieproduktion. Als „Baustein“ stabilisiert es auch die Zellmembranen der Leberzellen, was sie widerstandsfähiger macht.
C15:0 vs. Omega-3: Ist die gesättigte Fettsäure effektiver als EPA?
Ein häufiges Statement: C15:0 könnte stärker sein als die Omega-3-Fettsäure EPA. Diese Aussage basiert auf einer Studie in menschlichen Zellsystemen, nicht direkt im lebenden menschlichen Körper. Solche Studien zeigen uns das Potenzial der Fettsäure auf Zellebene, aber können nicht direkt auf den gesamten Menschen übertragen werden.
In einem direkten Vergleich in Zellkulturen zeigte reines C15:0 vielversprechende Ergebnisse gegenüber der bekannten Omega-3-Fettsäure EPA (Eicosapentaensäure). Beide zeigten zwar ähnliche positive Effekte, zum Beispiel bei der Hemmung von Entzündungen oder der Reduzierung von Gewebevernarbung. Doch C15:0 wies in den Zelltests ein deutlich breiteres Spektrum an hilfreichen Aktivitäten auf, die bei EPA nicht oder kaum zu sehen waren. Zusätzlich zeigte C15:0 in diesen Labortests auch eine bessere Verträglichkeit für die Zellen bei höheren Konzentrationen als EPA. Das deutet darauf hin, dass C15:0 auf Zellebene potenziell vielfältiger wirken könnte.
C15:0 im Vergleich zu Metformin & Rapamycin
Noch spannender wurde es, als C15:0 in Zellsystemen mit Substanzen verglichen wurde, die in der Medizin eingesetzt werden oder in der Altersforschung viel Aufmerksamkeit erhalten, wie zum Beispiel Metformin (bekannt aus der Diabetes-Behandlung) oder Rapamycin (untersucht für seine Effekte auf Alterungsprozesse). Die Wissenschaftler stellten fest, dass C15:0 in den Zelltests viele positive Aktivitäten mit diesen Substanzen teilt. Das heißt, es scheint auf Zellebene ähnliche Stoffwechselwege und Prozesse zu beeinflussen, wie es auch einige dieser Medikamente tun.
ABER: Es ist entscheidend zu verstehen, dass Ergebnisse aus Zelltests nicht direkt auf den Menschen übertragbar sind und C15:0 kein Medikament ist. C15:0 ist ein Nährstoff, der in Lebensmitteln vorkommt. Diese Studien bedeuten nicht, dass C15:0 Medikamente ersetzen kann oder in der Anwendung am Menschen besser wirkt.
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Ist C15:0 essenziell?
C15:0 ist aktuell noch nicht als essenziell – also notwendig für die Grundgesundheit – eingestuft. Die Fettsäure erfüllt jedoch viele Kriterien einer essenziellen Fettsäure und könnte mit hoher Wahrscheinlichkeit in Zukunft offiziell als essenziell anerkannt werden.
Beispielsweise zeigten Studien an Mäusen, dass ein C15-Mangel bei Neugeborenen ein ernährungsbedingtes Mangelsyndrom mit schlechtem Wachstum verursachte – das durch die Gabe von C15 vollständig rückgängig gemacht werden konnte.
Beispielsweise zeigten Studien an Mäusen, dass ein C15-Mangel bei Neugeborenen ein ernährungsbedingtes Mangelsyndrom mit schlechtem Wachstum verursachte, das durch die Gabe von C15 wiederhergestellt wurde.
Natürliche Quellen von C15:0
C15:0 wird vor allem im Pansen von Wiederkäuern produziert. Wenn diese Gras essen, wird es von den Darmbakterien zu wichtigen Fettsäuren fermentiert, welche dann auch in der Milch landen. Hier erkennt man: Die meisten Kühe, Schafe und Ziegen bekommen heutzutage kein traditionelles Futter mehr (Gras), sondern Getreide. Dadurch bleibt der C15:0-Gehalt in Lebensmitteln geringer. Das ist ein typisches Beispiel dafür, dass man Lebensmittel nicht pauschal als ungesund oder gesund einstufen kann. Die Qualität entscheidet. Allgemein stellt man fest, dass die Aufnahme von C15:0 in der Ernährung gesunken ist.
Eine Hauptquelle ist also Milchfett, Vollfettmilchprodukte und Weidefleisch:
- Joghurt
- Butter
- Ghee
- Käse, insbesondere Pecorino
- Weidefleisch
Aber auch Fischöl kann C15:0 enthalten. Wir raten schon lange bei der Omega-3-Supplementierung auf ein Vollspektrumöl zu setzen, da dieses eben alle Fettsäuren aus dem Fisch enthält – auch C15:0. Omega-3-Konzentrate oder Algenöle enthalten diese nicht.
Betrachtet man die Quellen, fällt auf: Veganer sind besonders anfällig für einen C15:0-Mangel. Erfahrungsgemäß profitieren viele Veganer irgendwann stark davon, wieder Milchfette einzuführen.
Man geht auch davon aus, dass der Körper aus der Fettsäure Propionat C15:0 herstellen kann. Propionat wird hauptsächlich im Mikrobiom gebildet. Der Mensch kann somit selbstständig geringe Mengen dieser Fettsäure bilden. Diese Menge alleine scheint aber nicht ausreichend zu sein und muss noch genauer untersucht werden.
Wie viel C15:0 pro Tag? Bedarf, Dosierung & Empfehlungen
Aus Studien geht hervor, dass 200 mg C15:0 am Tag die beschriebenen Effekte hervorrufen. Milchfettprodukte wie Butter oder Käse enthalten etwa 1–3 % C15:0. Das bedeutet: Mit rund 20 g Fetten aus Milchprodukten lässt sich der tägliche C15:0-Bedarf decken – das entspricht in etwa 100 g Käse.
Die Menge an C15:0 in Lebensmitteln schwankt jedoch stark, weshalb keine genauen Verzehrsempfehlungen ausgesprochen werden können.
C15:0 kaufen – macht ein Supplement Sinn? Tipps zur Einnahme
Inzwischen gibt es einige Hersteller, die Nahrungsergänzungsmittel mit C15:0 anbieten. Diese Produkte können sinnvoll sein – insbesondere für Menschen, die keine Milchprodukte verzehren, wie Veganer oder Allergiker.
Wer jedoch ausreichend C15:0 über die Nahrung aufnimmt, benötigt in der Regel keine zusätzliche Supplementierung.
Fazit
C15:0 ist ein Paradebeispiel dafür, wie komplex und intelligent echte Lebensmittel sind. Es zeigt: Gesättigte Fette sind nicht per se schlecht – und Butter kann mehr als nur Kalorien liefern.
Wer C15:0 in die tägliche Ernährung integriert (z. B. über Weidebutter oder Käse), profitiert möglicherweise auf vielen Ebenen: Zellgesundheit, Leber, Energie, Entzündungsregulation.
Vielleicht war Omas Butterbrot doch nicht so ungesund, wie uns eingeredet wurde…
Quellen
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