Diabetes & Sport: Das solltest Du beachten!

von Martin Auerswald, M.Sc.
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Die Betroffenenzahlen an Typ 1 und Typ 2 Diabetes steigen in Deutschland konstant an. Von einer ehemaligen Randerscheinung hat sich Diabetes mit über 8 Millionen Betroffenen mittlerweile zu einer regelrechten Volkskrankheit entwickelt. Eine gesunde Lebensführung ist zur Prävention und Therapie besonders wichtig, und viele Diabetiker fragen sich, wie sich Diabetes und Sport miteinander verhalten. In diesem Beitrag erfährst Du mehr darüber und wirst sehen, dass Sport immer eine gute Idee ist.

 

Typ 1 und Typ 2 Diabetes – Die Unterschiede

Diabetes mellitus kommt aus dem altgriechisch-römischen und kann mit „honigsüßer Urin“ übersetzt werden. Denn so wurde der Diabetes früher diagnostiziert: Da bei Diabetikern der Blutzucker dauerhaft und krankhaft erhöht ist, scheidet der Körper überschüssigen Zucker über den Urin aus, welcher dann süßlich schmeckt.

Heute brauchen wir glücklicherweise keine Urin-Diagnose mehr, eine Blutzuckeranalyse reicht dafür aus. In der Regel ist der Langzeitblutzucker (Hb1Ac) bei über 6 % erhöht, der Nüchternblutzucker bei > 100 mg/dl, und der Blutzuckeranstieg nach einer Mahlzeit ebenfalls (> 180 mg/dl).

Typ 1 Diabetes ist eine Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem die ß-Zellen in der Bauchspeicheldrüse angreift und zerstört. Da diese unter anderem das blutzuckersenkende Hormon Insulin produzieren, kommt es zu einem Insulinmangel und der Blutzucker ist dauerhaft erhöht. In der Regel tragen Typ 1 Diabetiker daher eine Insulinpumpe oder injizieren sich Insulin nach Mahlzeiten. Auch eine Insulinpumpe beim Sport kann nützlich sein, wie wir noch sehen werden.

Als Ursachen für Typ 1 Diabetes gelten neben einer genetischen Veranlagung auch Vitamin D-Mangel, Omega 3-Mangel, Pankreasinfektionen sowie Kaiserschnittgeburt und Darm-Dysbiose.

Der Typ 2 Diabetes ist der häufigste Diabetes und eine Zivilisations- oder Wohlstandserkrankung. Die Genetik nimmt hier eine untergeordnete Rolle ein. Es ist eine Erkrankung, deren Ursachen in der Lebensführung zu suchen sind: Neben Nährstoffdefiziten (Magnesium, Zink, B-Vitamine, Omega 3-Fettsäuren, Chrom) sind Übergewicht, Sport, ungesunde Ernährung, Bewegungsmangel und hormonelle Dysbalancen maßgeblich verantwortlich.

Bei Typ 2 Diabetes kann zwar auch ein Insulinmangel (aufgrund einer erschöpften Bauchspeicheldrüse) vorliegen, meist liegt jedoch eine Insulinresistenz vor. Das heißt, es ist genug Insulin vorhanden, aber die Wirksamkeit des Insulins am Insulinrezeptor ist eingeschränkt. Folge ist ein erhöhter Blutzucker.

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Diabetes Typ 2 verstehen und mit den richtigen Maßnahmen entgegenwirken…

 

Diabetes und Sport – Eine gute Idee?

Viele Diabetiker und Ärzte sorgen sich darum, dass Sport sich ungünstig auf die Blutzuckerwerte auswirken könnte: wer „gut eingestellt ist“, sollte keinen Sport treiben, da es den Blutzucker durcheinanderwirbelt, ja sogar in einem Unterzucker resultieren kann.

Das ist mit Blick auf die Praxiserfahrung und die wissenschaftliche Studienlage kompletter Blödsinn. Leider muss gesagt sein, dass nicht jeder Arzt wirklich gut ist, und ein Arzt, der vor dem warnt, was uns (und vor allem Diabetiker) wirklich gesund und fit hält, sollte hinterfragt werden.

Sowohl bei Typ 1 als auch bei Typ 2 Diabetes wirkt sich Sport sehr förderlich aus – aus mehreren Gründen.

 

GLUT-4 und was Insulin wirklich macht

Bei Diabetes liegt ein Insulinmangel oder eine Insulinresistenz vor. Das bedeutet, auf Insulin kann nicht immer vertraut werden, um Glukose in die Zellen zu bringen.

Was Insulin im Körper macht: durch Bindung an den Insulinrezeptor wird der Insulinsignalweg aktiviert – im Zuge dessen wird ein Glukose-Transporter (GLUT-4) an die Zelloberfläche gebracht. GLUT-4 ermöglicht den Einstrom von Glukose in die Zelle, als Folge von Insulin.

Und jetzt kommt das Besondere: Sport sorgt dafür, dass GLUT-4 unabhängig von Insulin an die Zelloberfläche kommt und der Blutzucker sinkt. So kann die Insulin-Wirkung umgangen werden. Der Blutzucker sinkt, die Stoffwechselleistung steigt, die Triglyzeride (eine häufige Ursache der Insulinresistenz) sinken. Aufgrund dessen kann Sport bei Diabetes empfohlen werden – je nach persönlichen Interessen und Zielsetzung Kraftsport und Ausdauersport gleichermaßen.

Besonders zu Beginn wird empfohlen, langsam zu starten und den Blutzucker zu überwachen. Diabetiker sollten zügig lernen, wie sich Sport (in seiner Dauer und Intensität) auf den Blutzucker auswirkt und wie darauf reagiert werden kann. So gesehen kann Sport nach einer Mahlzeit sogar den Einsatz von Insulin reduzieren oder ganz ersparen. Da Sport sich auch positiv auf die Muskelfunktion, Stoffwechsel, Triglyzeride, Cholesterin, Herz-Kreislauf-System und die Stimmung auswirkt, kann er daher absolut bei Diabetes empfohlen werden.

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Langsam starten und auf den Körper hören 🙂

 

Die wissenschaftliche Datenlage zu Sport und Diabetes

Zu Typ 1 und Typ 2 Diabetes finden wir zahlreiche, gut durchgeführte wissenschaftliche Studien im Zusammenhang mit Sport. Drei Beispiele:

Eine Übersichtsarbeit von Kirwan et al., 2017 [1], betonte, dass Sport eine der wichtigsten und sinnvollsten Strategien ist, einen frisch diagnostizierten Typ 2 Diabetes anzugehen. Die wichtigsten Ursachen für die Erkrankung können damit reduziert werden. Mit Sport, gesunder Ernährung und bestimmten Verhaltensänderungen kann ein Diabetes sogar „geheilt“ werden.

Codella et al., 2017, [2] diskutierten den Einfluss von Sport bei Diabetes Typ 1. Sie betonen, dass Sport nicht nur für jeden Menschen und in jedem Alter Zivilisationserkrankungen vorbeugt; sie schreiben auch, dass Sport bei Typ 1 Diabetes der wichtigste Behandlungsbaustein ist, um Insulin-unabhängig zu werden und die wichtigsten Ursachen der Krankheit anzugehen.

Reddy et al., 2019, [3] verglichen Kraft- und Ausdauersport bei Typ 1 Diabetikern. In jedem Fall wirkte sich der Sport positiv auf die Blutzuckerwerte aus. Im direkten Vergleich half Kraftsport bei der Blutzuckerkontrolle besser und nachhaltiger als Ausdauersport – wahrscheinlich, weil dabei mehr Muskeln (die größten GLUT-4-Bildner) aktiviert und aufgebaut werden.

 

Weitere Tipps für die GLUT-4-Aktivierung

Neben Sport gibt es noch weitere Tipps, wie Du Deine Insulinsensitivität und die GLUT-4-Aktivierung (unabhängig von Insulin) ankurbeln kannst:

Spaziergang im Wald zwei Personen im Herbstlaub

Ein Spaziergang im Wald lindert nicht nur Stress & ist schön, sondern kurbelt auch die GLUT-4-Aktivierung an.

 

Fazit und Zusammenfassung

Sport und Diabetes? Oh ja! Sport macht nicht nur Sinn, er macht auch Spaß und erhöht die Lebensqualität zusehends. Du brauchst Dir bei Sport und Diabetes also keine Sorgen zu machen. Du solltest Dich eher darauf freuen und ihm im Alltag einen gewissen Raum geben. Eine enge Blutzuckerüberwachung ist auch weiterhin wichtig und besonders zu Beginn kann ein guter Therapeut begleitend nützlich für Dich sein.

Hast Du bereits Erfahrung mit dem Thema? Möchtest Du gerne etwas teilen? Ich freue mich auf Deinen Kommentar!

 

 


Kirwan JP, Sacks J, Nieuwoudt S. The essential role of exercise in the management of type 2 diabetes. Cleve Clin J Med. 2017 Jul;84(7 Suppl 1):S15-S21. doi: 10.3949/ccjm.84.s1.03. PMID: 28708479; PMCID: PMC5846677.

Codella R, Terruzzi I, Luzi L. Why should people with type 1 diabetes exercise regularly? Acta Diabetol. 2017 Jul;54(7):615-630. doi: 10.1007/s00592-017-0978-x. Epub 2017 Mar 14. PMID: 28289908.

Reddy R, Wittenberg A, Castle JR, El Youssef J, Winters-Stone K, Gillingham M, Jacobs PG. Effect of Aerobic and Resistance Exercise on Glycemic Control in Adults With Type 1 Diabetes. Can J Diabetes. 2019 Aug;43(6):406-414.e1. doi: 10.1016/j.jcjd.2018.08.193. Epub 2018 Aug 30. PMID: 30414785; PMCID: PMC6591112.

 

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