Wenn Dein Blutzucker verrückt spielt, spiegelt Dein Körper dies wider. Eine Zeit, in der Du das besonders wenig gebrauchen kannst, ist die Schwangerschaft.

Doch was hat es mit Schwangerschaftsdiabetes auf sich und wie ist es möglich, den Blutzucker wieder in den Griff zu bekommen? Diese und weitere Fragen klären wir im folgenden Gastbeitrag, geschrieben von Dr. Claudia Miersch (Ernährungswissenschaftlerin).

 

Was ist Schwangerschaftsdiabetes?

Schwangerschaftsdiabetes (oder medizinisch Gestationsdiabetes) ist die häufigste Komplikation in der Schwangerschaft und eine Sonderform der Zuckerkrankheit. Durch Störungen im Kohlenhydratstoffwechsel kommt es zu erhöhten Blutzuckerwerten.

Laut der aktuellen Geburtenstatistik gehen etwa 6 % aller Schwangerschaften damit einher, wobei die Zahlen in den letzten 15 Jahren stetig gestiegen sind. International variieren die Häufigkeiten sehr stark und liegen zwischen 1 bis 20 %. Risikofaktoren sind das Alter (über 35 Jahre) und Übergewicht.

Wissenschaftliche Studien zeigen jedoch, dass auch Normalgewichtige betroffen sind. Die Werte schwanken zwischen 30 und 65 %.

 

Schwangerschaftsdiabetes: Risiken für Mutter und Baby

Auch wenn Betroffene oftmals nur geringe Symptome aufweisen, ist Schwangerschaftsdiabetes mit Komplikationen für Mutter sowie Baby verbunden und kann unbehandelt das Risiko für Folgeerkrankungen erhöhen.

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Während der Schwangerschaft:
+ Bluthochdruck+ Fehlgeburten und Missbildungen
+ Harnwegsinfektionen+ Störungen der Lungenreife
+ Schwangerschaftsvergiftungen+ exzessive Gewichtszunahme
Unter der Geburt:
+ Kaiserschnitt+ Geburtsverletzungen
+ Geburtsverletzungen+ vorzeitige Wehen
+ Einschränkungen für eine selbstbestimmte Geburt
Unmittelbar nach der Geburt:
+ Unterzuckerung
+ Gelbsucht
Nach der Schwangerschaft:
+ später Diabetes Typ 2+ Stoffwechselprägung für Übergewicht, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen
+ Herz-Kreislauf-Erkrankungen

 

Diagnose über das routinemäßige Diabetes-Screening

Im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche erfolgt das Diabetes-Screening mithilfe eines zweistufigen Verfahrens. Zunächst wird in einem Vortest 50 g in Wasser gelöste Glukose getrunken und nach einer Stunde der Blutzuckerwert über eine Blutabnahme ermittelt. Der Test erfolgt morgens, jedoch muss die Schwangere nicht nüchtern sein.

Störungen im Blutzucker werden ausgeschlossen, wenn der Wert unter 7,5 mmol/l (135 mg/dl) liegt. Ist der Wert auffällig, schließt sich ein oraler Glukosetoleranztest mit 75 g Glukose an, bei dem sowohl nüchtern als auch nach einer und zwei Stunden die Blutzuckerwerte bestimmt werden. Liegt einer der drei gemessenen Werte über folgenden Grenzwerten, erfolgt die Diagnose „Gestationsdiabetes“:

  • Blutzucker im nüchternen Zustand: ≥ 5,1 mmol/l (92 mg/dl)
  • Blutzucker nach 1 Stunde: ≥ 10 mmol/l (180 mg/dl)
  • Blutzucker nach 2 Stunden: ≥ 8,5 mmol/l (153 mg/dl)

 

Was passiert bei Schwangerschaftsdiabetes?

Im Verlauf jeder Schwangerschaft kommt es durch verschiedene Hormone aus der Plazenta zu einer wachsenden Insulinresistenz. Das heißt, Leber, Muskel- und Fettgewebe werden unempfänglich für das Insulinsignal und nehmen Zucker aus dem Blut schlechter auf. Wissenschaftliche Studien zeigen eine 50- bis 70-prozentige Minderung der Insulinwirkung.

Dieser natürliche Effekt unterstützt die Versorgung des Ungeborenen. Durch die langsamere Glukoseaufnahme in die Zellen der Mutter steht dem Baby mehr davon zur Verfügung. Gerade im letzten Drittel der Schwangerschaft benötigt der Fötus viel Energie für das schnelle Wachstum. Um trotz der Insulinresistenz normale Blutzuckerspiegel aufrechtzuerhalten, schüttet der Körper mehr Insulin aus.

Nach einer kohlenhydratreichen Mahlzeit wird in der Schwangerschaft 3- bis 4-mal mehr Insulin ausgeschüttet. Bei Schwangerschaftsdiabetes scheitert der Körper daran.

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Kohlenhydrate können den Körper bei mangelnder Insulinversorgung an seine Grenzen bringen

Unterschiede zwischen Schwangerschaftsdiabetes und Diabetes Typ 2

Schwangerschaftsdiabetes wird häufig mit Diabetes Typ 2 gleichgesetzt, da man die gleichen Ursachen und Mechanismen dahinter vermutet und ähnliche Therapieansätze verwendet.

Jedoch gibt es wesentlich Unterschiede zwischen beiden Diabetesformen:

  1. Die Blutzuckergrenzwerte, die zur Diagnose Schwangerschaftsdiabetes führen, liegen deutlich unter den Grenzwerten für die Diagnose Typ 2 (nüchtern: ≥ 7,0 mmol/l; 2h-Wert: ≥11,1mmol/l).
  2. In der Therapie werden für Schwangerschaftsdiabetes viel strengere Blutzuckerziele vorgegeben (nüchtern: 3,6-5,3 mmol/l, 1h nach dem Essen: <7,8 mmol/l, 2h nach dem Essen: < 6,7 mmol/l). Bei Typ 2 sehen diese wie folgt aus (nüchtern: <6,9 mmol/l, 2h nach dem Essen: <11 mmol/l).

Diese Unterschiede finden in der Ernährungstherapie des Schwangerschaftsdiabetes keine Berücksichtigung. Durch fehlende wissenschaftliche Belege für schwangerschaftsspezifische Schulungsprogramme, werden die Ernährungsempfehlungen für Diabetes Typ 2 herangezogen.

Auch wenn Schwangerschaftsdiabetes nicht unmittelbar vergleichbar mit Diabetes Typ 2 ist, sollte man die Gefahr nicht unterschätzen. Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes haben ein 7-fach höheres Risiko, während ihres späteren Lebens an Diabetes zu erkranken.

Bis zu 50 % der Frauen, die während einer ihrer Schwangerschaften an Diabetes litten, entwickeln in den nächsten 5 bis 10 Jahren den klassischen Altersdiabetes. Dabei stellt ein erhöhter Nüchternblutzuckerspiegel einen besonders starken Risikofaktor dar. Auch die Kinder von Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes haben ein deutlich erhöhtes Risiko, an Diabetes zu erkranken.

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Volkskrankheit Diabetes

Die wichtigsten Ernährungstipps bei Schwangerschaftsdiabetes

Die Behandlung erfolgt durch eine Ernährungsumstellung in Kombination mit einer Erhöhung der körperlichen Aktivität. Lassen sich die Blutzuckerwerte dennoch nicht normalisieren, ist eine Insulintherapie angezeigt. Die Behandlung orientiert sich grundsätzlich an folgenden drei Zielen:

  • möglichst normale Blutzuckerwerte unter Vermeidung von Stoffwechselentgleisungen (<7,8 mmol/l 1h nach dem Essen, <5,3 mmol/l morgens nüchtern)
  • Gewichtszunahme der Mutter entsprechend der Schwangerschaftsempfehlungen
  • entwicklungsgerechtes Wachstums des Ungeborenen (nicht zu schwer und auch nicht zu leicht)

In der Gestationsdiabetes-Leitlinie wird empfohlen, die Nährstoffe wie folgt zu verteilen: Kohlenhydrate 40 bis 50 %, Protein 20 % und Fett 30 bis 35 %. Es wird darauf hingewiesen, dass sich etwas weniger Kohlenhydrate (40 bis 45 %) günstig auf die Blutzuckerwerte nach dem Essen auswirken. Jedoch sollten auch nicht zu wenig Kohlenhydrate (< 40 %) verzehrt werden, um das Risiko für Unterzuckerung und Stoffwechselentgleisungen wie diabetische Ketosen nicht zu erhöhen.

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Die Kohlenhydratmenge sollte auf 3 nicht zu große Hauptmahlzeiten und 2 bis 3 kleinere Zwischenmahlzeiten (inkl. Spätmahlzeit) verteilt werden. 

Aufgrund der häufig auftretenden morgendlichen Insulinresistenz ist der Blutzuckeranstieg zu dieser Tageszeit am höchsten. Daher wird empfohlen, zum Frühstück etwas weniger Kohlenhydrate zu verzehren als zum Mittag. Betroffene sollten außerdem auf die Kohlenhydratqualität achten, das heißt viele Lebensmittel mit einem niedrigen glykämischen Index verzehren.

Unsere Gastautorin – Dr. Claudia Miersch – litt in ihrer 2. Schwangerschaft ebenfalls an dieser Stoffwechselstörung und hat auf ihrer Internetseite www.schwangerschaftsdiabetes.net weitere hilfreiche Tipps für eine erfolgreiche Ernährungsumstellung zusammengestellt.

 

Kohlenhydrate, die sich besonders gut eignen

Unser Körper gewinnt Energie aus den drei Hauptkomponenten der Nahrung: Kohlenhydrate, Fette und Proteine.  Kohlenhydrate sind lange Ketten aus einzelnen Zuckermolekülen, die im Darm in ihre Einzelmoleküle zerlegt werden, dann in die Blutbahn gelangen und dort zu einem Anstieg des Blutzuckers führen. Sie haben deshalb den größten Einfluss auf den Blutzuckerspiegel. Durch Protein, Fett und Ballaststoffe kann dessen Anstieg verzögert werden.

Als einfache Faustregel kann man sich merken: Lebensmittel mit vielen Kohlenhydraten werden oft aus Getreide hergestellt, so z. B. Brot, Pasta, Kuchen, Kekse, Kräcker usw. Außerdem enthalten Kartoffeln, Bohnen, Mais, Erbsen, Obst, Milch und Joghurt größere Mengen Kohlenhydrate, aber zum Teil auch Fett und Protein. Lebensmittel, die wenig bis gar keine Kohlenhydrate enthalten, sind Fleisch, Fisch, Eier, ungesüßte Milchprodukte, Nüsse/Samen, fetthaltige Früchte (z. B. Avocado) und nicht stärkehaltige Gemüsesorten.

Gute Kohlenhydratquellen bei Schwangerschaftsdiabetes sind:

  • glutenfreies Getreide und Vollkornbrot (je körniger, desto besser)
  • ungesüßte Frühstücksflocken aus Hafer, Hirse, Dinkel oder Roggen
  • Vollkornnudeln oder -reis (z. B. Wildreis/Naturreis), ebenso Quinoa
  • Naturjoghurt
  • Schokolade mit 70 bis 85 % Kakaoanteil
  • Beerenfrüchte: eine Handvoll pro Mahlzeit, nicht mehr als 2 bis 3 Portionen pro Tag


 Fazit

Mehr Informationen zum Thema Schwangerschaftsdiabetes und Ernährung bei dieser Stoffwechselstörung gibt es auf dem Infoportal von schwangerschaftsdiabetes.net. Es wurde von der Ernährungswissenschaftlerin Dr. Claudia Miersch aufgrund ihrer persönlicher Erfahrungen mit dieser Schwangerschaftskomplikation ins Leben gerufen.

Sie möchte Betroffenen mit ihrem Know-how und wissenschaftlichen Informationen bei der Ernährungsumstellung unterstützen und ihnen helfen, gesünder und bewusster zu leben.

Ferner findest Du auf SchnellEinfachGesund informative Beiträge zur gesunden Ernährung, wie zum Beispiel: Proteinreiche Lebensmittel und die 50 gesündesten Lebensmittel.

Hast Du noch Fragen oder Anmerkungen zu diesem wichtigen Thema? Dann hinterlass uns gerne eine Nachricht in den Kommentaren!