Salz spaltet die Gemüter
Früher „weißes Gold“, heute oft als Krankmacher verschrien. In Fertigprodukten steckt es im Übermaß, während Naturvölker fast ohne auskommen. Doch wie viel Salz ist nun gesund? Brauchen wir wirklich teure Himalaya-Kristalle oder reicht normales Kochsalz?
Fest steht: Salz ist lebensnotwendig, aber die Menge macht den Unterschied. In diesem Artikel klären wir Mythen, vergleichen Salzarten und zeigen dir, warum das Gleichgewicht von Natrium und Kalium entscheidender ist als die Frage nach der Salzstreuer-Diät.
Was ist Salz eigentlich?
Salz ist nicht gleich Salz. Chemisch gesehen besteht es immer aus Natrium und Chlorid. Doch die Unterschiede liegen in der Gewinnung und Verarbeitung.
- Kochsalz ist das, was die meisten im Küchenschrank haben. Es wird stark raffiniert, gebleicht und oft mit Rieselhilfen sowie Zusätzen wie Jod, Fluor oder Folsäure versehen.
- Naturbelassene Salze wie Meersalz oder Steinsalz entstehen durch Verdunstung von Meerwasser oder aus uralten Meeresablagerungen. Sie enthalten noch Spuren von Mineralstoffen, Ton oder Algen, die zwar kaum zur Mineralstoffversorgung beitragen, aber Farbe und Geschmack verändern können.
- Exotische Sorten wie Himalayasalz oder Fleur de Sel unterscheiden sich im Wesentlichen kaum von anderen Salzen. Sie bestehen ebenfalls zu mindestens 97 % aus Natriumchlorid. Der Rest ist Marketing und macht sie vor allem eins: teuer.
Kurz gesagt: Dein Körper braucht Natrium und Chlorid, nicht unbedingt rosa Kristalle aus dem Himalaya.
Auf handelsüblichem Tafelsalz findet man oft Zusätze wie Jod, Fluor oder Folsäure. Doch braucht man das wirklich?
Die Anreicherung geht auf die 1950er-Jahre zurück. Damals erkannte man, dass Jodmangel und die damit zusammenhängende Kropfbildung ein großes Problem ist. Salz mit Jod zu versehen, war eine einfache und günstige Lösung. Später kamen Fluor und Folsäure dazu.
Heute betrachtet man das kritischer:
- Fluorid: Die Studienlage ist gemischt. Hinweise deuten darauf hin, dass eine übermäßige Aufnahme die Intelligenz negativ beeinträchtigen kann [1]. Fluorid zusätzlich über Salz zuzuführen, ist nicht sinnvoll.
- Jod: Jod ist wichtig für Schilddrüse und Stoffwechsel. Aber die Mengen im Jodsalz reichen nicht aus, um eine optimale Versorgung zu sichern. Besser sind jodreiche Lebensmittel wie Seefisch oder Algen – oder eine gezielte Nahrungsergänzung.
- Folsäure: Im Salz steckt nur synthetische Folsäure, nicht die aktive Form (Folat), die der Körper optimal verwerten könnte. Auch sind die zugesetzten Mengen zu gering, um sich darauf verlassen zu können. Wir raten deshalb von Folsäure in Salz ab.
Salz im Wandel der Zeit
Unsere Vorfahren aßen ganz anders, als wir es heute tun. Salz spielte dabei lange Zeit kaum eine Rolle. Jäger- und Sammler-Gesellschaften nahmen Natrium nur in kleinen Mengen über natürliche Lebensmittel auf und somit weit weniger als wir heute.
Dafür war ihre Kaliumzufuhr enorm hoch. Während wir im Schnitt gerade einmal 2–3 Gramm Kalium am Tag erreichen, zeigen Berechnungen aus über 150 rekonstruierten Steinzeit-Diäten, dass die tägliche Kaliumaufnahme damals im Mittel bei rund 15 Gramm pro Tag lag [2]. Möglich wurde das durch eine Ernährung, die reich an Obst, Gemüse, Wurzeln und Knollen war.
Damit war das Verhältnis von Natrium zu Kalium genau umgekehrt zu heute: wenig Natrium, viel Kalium. Dieses Gleichgewicht gilt als einer der Hauptgründe dafür, dass Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen in diesen Gesellschaften praktisch unbekannt waren.
Erst mit der Agrarrevolution änderte sich das Bild. Getreide, Salzabbau und später industriell verarbeitete Lebensmittel verschoben das Verhältnis Schritt für Schritt – bis wir heute oft ein Vielfaches mehr Natrium als Kalium aufnehmen.
Salz und Kalium im Körper – Funktionen
Salz besteht aus Natrium und Chlorid. Beide sind lebenswichtig. Natrium sorgt dafür, dass Nervenimpulse weitergeleitet werden, Muskeln kontrahieren und der Blutdruck stabil bleibt. Chlorid ist nötig für Magensäure, den Säure-Basen-Haushalt und den Flüssigkeitsausgleich. Ohne diese Elektrolyte würde unser Körper nicht funktionieren.
Genauso wichtig – oft noch wichtiger – ist Kalium. Es wirkt als Gegenspieler von Natrium. Während Natrium Wasser im Körper hält und den Blutdruck steigen lassen kann, senkt Kalium den Druck, indem es überschüssiges Natrium über die Nieren ausscheiden hilft. Außerdem stabilisiert Kalium das Herz, unterstützt die Gefäßfunktion und spielt eine Schlüsselrolle bei der Energieproduktion in den Zellen.
Die Forschung zeigt deutlich: Entscheidend ist nicht nur die Salzmenge, sondern das Verhältnis von Natrium zu Kalium. Eine Meta-Analyse der WHO aus 2013 bestätigt, dass eine höhere Kaliumzufuhr den Blutdruck zuverlässig senkt, unabhängig davon, wie viel Salz aufgenommen wird [3]. Neuere Modellierungsstudien gehen noch weiter: Sie zeigen, dass Kalium die schädlichen Effekte von Salz zum Teil neutralisieren kann [4]. Interessant dabei ist, dass Männer stärker auf Natrium reagieren, während Frauen sensibler auf Kalium reagieren.
Das bedeutet: Es reicht nicht, einfach nur „weniger Salz“ zu essen. Entscheidend ist, gleichzeitig mehr Kalium aufzunehmen. Genau dieses Verhältnis war in der Steinzeit noch intakt – und in unserer modernen Ernährung massiv verschoben.
Wie viel Salz und Kalium sind gesund?
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt Erwachsenen 3–6 Gramm Salz pro Tag, maximal 10 Gramm. In der Realität liegen die meisten darüber: Männer im Schnitt bei etwa 10 Gramm, Frauen bei gut 8 Gramm täglich.
Kalium sieht noch schlechter aus. Empfohlen werden rund 3,5 Gramm pro Tag, tatsächlich erreichen viele nicht einmal 3 Gramm. Verglichen mit unseren Vorfahren ist das dramatisch wenig: Sie kamen, wie Studien zeigen, im Schnitt auf rund 15 Gramm täglich.
Das Problem ist also nicht nur, dass wir zu viel Salz essen. Es ist vor allem, dass wir gleichzeitig viel zu wenig Kalium aufnehmen. Dieses Ungleichgewicht ist ein Haupttreiber für Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Die Lösung ist simpel:
- Salz bewusst einsetzen, nicht vermeiden.
- Verarbeitete Lebensmittel reduzieren, dort steckt das meiste Salz.
- Kaliumreich essen: Gemüse, Obst, Nüsse, Fisch und Knollenfrüchte gehören täglich auf den Teller.
So verschiebt sich das Verhältnis von Natrium zu Kalium wieder in eine Richtung, die unsere Biologie kennt und mit der wir gesund bleiben können.
Salz und Umweltbelastungen
Ein Aspekt, der in der Diskussion um Salz oft übersehen wird, sind mögliche Verunreinigungen. Besonders Meersalz steht hier im Fokus. Durch die zunehmende Verschmutzung der Ozeane können darin Mikroplastikpartikel und Spuren von Schwermetallen wie Blei oder Quecksilber nachgewiesen werden. Die Mengen sind meist gering, zeigen aber, wie stark menschliche Umweltbelastungen inzwischen selbst in alltäglichen Lebensmitteln angekommen sind.
Steinsalze aus tiefen Lagerstätten sind davon weniger betroffen. Sie stammen aus uralten Meeresablagerungen, die seit Millionen Jahren von der Umwelt abgeschirmt sind. Solche Salze enthalten kaum Rückstände moderner Schadstoffe.
Besonders Himalayasalz oder das Salz aus Bad Reichenhall gelten als qualitativ hochwertig und relativ rein. Sie sind zwar chemisch gesehen nicht „gesünder“ als andere naturbelassene Salze, bieten aber den Vorteil, dass sie aus geschützten, unbelasteten Quellen stammen – ein Punkt, der bei der Auswahl durchaus eine Rolle spielen kann.
Zu viel oder zu wenig – wo liegen die Risiken?
Sowohl zu viel als auch zu wenig Salz können Probleme machen. Die Dosis entscheidet.
Zu viel Salz
Ein dauerhaft hoher Salzkonsum kann den Blutdruck erhöhen und damit das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen steigern. Große Studien mit hunderttausenden Teilnehmern zeigen: Mit jedem zusätzlichen Gramm Natrium steigt dieses Risiko im Schnitt um etwa sechs Prozent [5]. Besonders betroffen sind Menschen mit Bluthochdruck, Übergewicht oder einer salzsensitiven Veranlagung. Zum Vergleich: Der Konsum einer einzigen Zigarette pro Tag erhöht das Herz-Kreislauf-Risiko um rund 48 Prozent [6]. Das zeigt, dass Salz zwar relevant ist, aber im Verhältnis zu anderen Faktoren nur einen moderaten Beitrag leistet.
Ein Überschuss an Natrium belastet außerdem die Gefäße, fördert Entzündungen und kann die Nierenfunktion schwächen. Entscheidend ist jedoch: Diese Effekte treten vor allem dann auf, wenn gleichzeitig wenig Kalium aufgenommen wird.
Zu wenig Salz
Auch ein Mangel ist ungünstig. Wer zu streng salzarm isst, riskiert Kreislaufprobleme, Muskelschwäche oder im Extremfall Ödeme, weil der Körper Wasser einlagert, statt es auszuscheiden. Einige Studien zeigen sogar, dass zu wenig Salz die Sterblichkeit erhöhen kann [7] – vermutlich, weil Natrium für Nerven- und Herzfunktion unverzichtbar ist.
Der Mensch braucht also Salz – aber in Balance mit Kalium. Ein Verhältnis von etwa 1:3 (Natrium zu Kalium) gilt als optimal. In der Steinzeit war dieses Verhältnis sogar noch stärker zu Gunsten von Kalium verschoben. In der modernen Ernährung hat es sich ins Gegenteil verkehrt: Wir nehmen heute oft doppelt bis dreimal so viel Natrium wie Kalium auf.
Ein bewusster Umgang mit beidem, also weniger verarbeitetes Salz, mehr kaliumreiche Lebensmittel, ist der einfachste und natürlichste Weg, das Risiko für Herz- und Gefäßerkrankungen zu senken.
Gibt es Salzalternativen?
Ja, eine vielversprechende Alternative ist Kaliumsalz (Kaliumchlorid). Es hat einen salzigen Geschmack und liefert gleichzeitig Kalium. Studien zeigen, dass der Ersatz von normalem Salz durch Kaliumsalz das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen um 34 % reduzieren kann. Besonders für Menschen mit Bluthochdruck ist Kaliumsalz empfehlenswert. Menschen mit niedrigem Blutdruck sollten jedoch darauf verzichten.
Kaliumsalz schmeckt etwas weniger intensiv als Natriumsalz und wird oft als leicht metallisch oder bitter beschrieben. Deshalb sind Mischungen aus 70 % Natriumchlorid und 30 % Kaliumchlorid eine beliebte Wahl. Für einen ausgewogeneren Geschmack können sich Nutzer nach und nach an Mischungen im Verhältnis 50:50 herantasten.
Kann man sich Salz entwöhnen?
Ja, das ist möglich. Wenn der Salzkonsum schrittweise reduziert wird, passen sich die Geschmacksknospen an die geringere Salzmenge an. Bereits nach 2 bis 3 Wochen empfinden viele Menschen Speisen mit weniger Salz als genauso schmackhaft wie zuvor. Lebensmittel, die früher als „normal salzig“ wahrgenommen wurden, wie Salzbrezeln, können dann sogar als zu salzig empfunden werden.
Fazit
Salz ist weder Gift noch Wundermittel – es ist lebensnotwendig. Entscheidend ist nicht, wie viel du salzt, sondern womit du es kombinierst. Ein hoher Natriumkonsum wird erst dann problematisch, wenn zu wenig Kalium da ist.
Unsere Vorfahren lebten mit einem völlig anderen Verhältnis von Natrium zu Kalium und genau dieses Gleichgewicht sollten wir wieder anstreben. Weniger verarbeitete Lebensmittel, mehr frische Produkte, viel Gemüse und Obst – das ist der einfachste Weg, um Salz wieder gesund zu machen.
Quellen
- [1] Kumar, J. V., Moss, M. E., Liu, H. & Fisher-Owens, S. (2023). Association between low fluoride exposure and children’s intelligence: a meta-analysis relevant to community water fluoridation. Public Health, 219, 73–84.
- [2] Sebastian, A., Frassetto, L. A., Sellmeyer, D. E. & Morris, R. C. (2006). The Evolution-Informed Optimal Dietary Potassium Intake of Human Beings Greatly Exceeds Current and Recommended Intakes. Seminars in Nephrology, 26(6), 447–453.
- [3] Aburto, N. J., Hanson, S., Gutierrez, H., Hooper, L., Elliott, P. & Cappuccio, F. P. (2013). Effect of increased potassium intake on cardiovascular risk factors and disease: systematic review and meta-analyses. BMJ, 346(apr03 3), f1378.
- [4] Stadt, M. M. & Layton, A. T. (2024). Modulation of blood pressure by dietary potassium and sodium: Sex differences and modeling analysis. AJP Renal Physiology.
- [5] Wang, Y., Yeh, T., Shih, M., Tu, Y. & Chien, K. (2020). Dietary Sodium Intake and Risk of Cardiovascular Disease: A Systematic Review and Dose-Response Meta-Analysis. Nutrients, 12(10), 2934.
- [6] Hackshaw, A., Morris, J. K., Boniface, S., Tang, J. & Milenković, D. (2018). Low cigarette consumption and risk of coronary heart disease and stroke: meta-analysis of 141 cohort studies in 55 study reports. BMJ, j5855.
- [7] Cohen, H. W., Hailpern, S. M. & Alderman, M. H. (2008). Sodium Intake and Mortality Follow-Up in the Third National Health and Nutrition Examination Survey (NHANES III). Journal of General Internal Medicine, 23(9), 1297–1302.














