Die häufigsten Mythen über Proteine unter die Lupe genommen

von Moritz Penne
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Protein Mythen

Bodybuilder schwören auf Protein und mittlerweile gibt es kaum noch Supermärkte, in denen keine High Protein Joghurts, Drinks, Shakes oder Riegel verkauft werden. Doch Proteine ernten auch Kritik. Angeblich schädigen sie die Nieren, eignen sich nur für Bodybuilder und überhaupt ist alles Pflanzliche besser.

Doch welche Protein Mythen stimmen und welche nicht? Hier erfährst Du es.

 

Protein Mythen im Check

Über kaum einen anderen Nährstoff kursieren so viele Mythen im Internet wie über Protein. Warum ist das so?

Im Gesundheits-, Ernährungs- und Nahrungsergänzungsmarkt gibt es einen starken Konkurrenzkampf. Jeder versucht, sein Produkt, sein Buch, sein Programm oder seine Techniken zu verkaufen.

Ein sehr einfaches Mittel, um sich als Experten darzustellen und seine Produkte zu bewerben, besteht darin, andere Wege schlechtzumachen.

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Jeder behauptet etwas anderes, sodass am Ende Unklarheit herrscht.

Lass uns deshalb den wissenschaftlichen Weg gehen und die häufigsten Protein Mythen gemeinsam aufklären! Was bedeuten Proteine für unseren Körper und was gibt es zu beachten?

 

Mythos #1: Der Körper kann nur 30 g Protein auf einmal aufnehmen

Protein bildet zusammen mit Fett und Kohlenhydraten die Gruppe der Makronährstoffe. Das bedeutet, dass Du mehrere Gramm davon am Tag zu Dir nimmst. Die Empfehlungen für die tägliche Proteinzufuhr liegen zwischen 0,8 g/kg Körpergewicht und 2,0 g/kg Körpergewicht pro Tag, je nach Alter und Aktivitätslevel.

Laut Mythos nimmt der Körper kein Protein mehr auf, sobald die 30-Gramm-Grenze überschritten ist; ferner heißt es, die Proteinsynthese würde dann einfach aussetzen. Dies würde Personen, die nur ein bis zwei Mahlzeiten am Tag zu sich nehmen, allerdings Probleme bereiten. Vor allem, wenn man die Wichtigkeit von Protein berücksichtigt.

Es ist nicht nur ein Makronährstoff, sondern auch der wichtigste Baustoff im Körper. Aus Proteinen können Neurotransmitter, Enzyme, Hormone, Haut, Haare, Muskeln und unser Immunsystem gebildet werden. Dafür braucht es viel Protein. Selbst eine schlanke Person, die 50 kg wiegt, benötigt bis zu 100 g am Tag.

Ergo: Die Behauptung, der Körper könne maximal 30 g Protein pro Mahlzeit aufnehmen, ist falsch. Er kann deutlich mehr als 30 g Protein verstoffwechseln. Insbesondere wenn Du hin und wieder fastest oder Deine Proteinzufuhr zeitweise reduzierst, um danach die Proteinsynthese anzukurbeln. Ein Stück hochwertiges Fleisch mehr auf dem Teller kann also nicht schaden.

In einer Studie mit jungen Männern konnte gezeigt werden, dass durch 40 g Whey Protein eine höhere Muskelproteinsynthese hervorgerufen wurde als mit 20 g (Macnaughton et al., 2016). Allerdings war der Effekt im Vergleich zur zugeführten Menge deutlich effektiver mit 20 g Protein. Dies wurde durch eine weitere Studie bestätigt (Moore et al., 2009).

Bereits 1992 wurde bei Bodybuildern herausgefunden, dass die Einnahme von mehr als 1,4 g/kg Körpergewicht kein zusätzliches Muskelwachstum hervorruft (Lemon et al., 1992). Daher ist es wichtiger, wie viel Protein Du über den ganzen Tag verteilt zu Dir nimmst (und nicht zu einer einzelnen Mahlzeit). Orientierst Du Dich an 1 bis 2 g/kg Körpergewicht, bist Du sehr gut versorgt.

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Mythos #2: Protein schadet den Nieren und der Leber

Bei einem einjährigen Versuch, bei dem die Probanden 2 bis 4 g/kg Körpergewicht Protein aßen, konnten keine negativen Effekte auf die Nieren oder Leber festgestellt werden (Antonio et al., 2016). Alle Teilnehmer führten hierbei Krafttraining durch. Letzteres würden wir Dir auch empfehlen.

Solange keine Nierenprobleme bei Dir bestehen, hat eine höhere Proteinzufuhr keine Auswirkungen auf Deine Nierengesundheit (Martin et al., 2005). Bei Nierenproblemen ist es wichtig, hochwertige Proteinquellen, besonders essenzielle Aminosäuren (EAA) zu wählen, um die Stickstoffbelastung und damit die Arbeit für die Nieren gering zu halten.

Achte zudem auf eine hohe Flüssigkeitszufuhr, da Proteine deutlich mehr Wasser binden als Fette oder Kohlenhydrate.

 

Mythos #3: Protein ist gleich Protein

Proteine unterscheiden sich in ihrer Zusammensetzung und Funktion. Auch Botox ist ein Protein, hat aber eine zelltoxische Wirkung. Gluten, das Klebereiweiß in Weizenprodukten, kann im Zusammenspiel mit Glyphosat Deinen Darm schädigen und zu Verdauungsproblemen wie Reizdarm oder Leaky-Gut-Syndrom führen.

In Bezug auf Nahrungsprotein kannst Du die Qualität anhand der biologischen Wertigkeit bestimmen. Diese gibt an, wie viel des aufgenommenen Proteins in Körperprotein umgebaut werden kann. Als Vergleich dient ein Hühnerei, das eine biologische Wertigkeit von 100 besitzt.

Tierische Lebensmittel wie Fisch, Fleisch und Milch (70–90) haben eine höhere Wertigkeit als pflanzliches Protein wie Brot, Kartoffeln und Soja (50–70). Um die biologische Wertigkeit zu erhöhen, kannst Du die Quellen intelligent kombinieren, um Werte von über 100 zu erreichen.

So gibt es Mehrkomponentenproteine mit einer biologischen Wertigkeit von über 130. 1/3 Ei und 2/3 Kartoffeln ergeben 136. Mit Mais und Bohnen kommt man auf 99. Insgesamt erhältst Du mit Proteinen aus hochwertigen tierischen Quellen mehr verwertbare Aminosäuren für Deinen Körper als mit pflanzlichen.

Wer sich rein pflanzlich ernährt, sollte Proteinquellen geschickt kombinieren, um eine höhere Wertigkeit zu erzielen. Nur so ist eine rein pflanzliche Ernährung auch nachhaltig und halbwegs gesund. Gute Kombinationen wären etwa: Weizen und Soja (je fermentiert), Kartoffeln und Hülsenfrüchte, Mais und Roggen.

Die hochwertigste Form der Proteinzufuhr ist die Einnahme von essenziellen Aminosäuren (EAA) nach dem Master Amino Acid Pattern. Dabei handelt es sich um eine spezielle Kombination der essenziellen Aminosäuren, die eine optimale Aufnahme ermöglicht und nahezu keine Stickstoffbelastung hervorruft.

Zwei rohe Steaks auf Holzbrett mit Zwiebel, Knoblauch und Kräutern

Bei Protein sollte Qualität im Vordergrund stehen

 

Mythos #4: Protein lässt automatisch die Muskeln wachsen

Das ist nicht korrekt. Die Proteinzufuhr, vor allem der Aminosäure Leucin, führt zur Aktivierung des mTOR-Signalwegs, der anschließend das Zellwachstum begünstigt. Damit Muskel wachsen, müssen die Zellen jedoch einem Reiz ausgesetzt sein. Dies geschieht durch gezieltes Krafttraining. Wir empfehlen Dir, 2- bis 3-mal pro Woche Ganzkörperübungen wie Kreuzheben, Kniebeuge oder Klimmzüge durchzuführen.

Bei älteren Personen verhält es sich anders. Hier konnte gezeigt werden, dass eine abendliche Proteinzufuhr vor dem Zubettgehen die Muskelproteinsynthese erhöht und somit dem Skelettmuskelabbau mit zunehmenden Alter entgegenwirken kann (Kouw et al., 2017). Möchtest Du auch mit 60+ fit sein, kann ein Proteinshake vor dem Schlafengehen nicht schaden.

Junger Mann bereitet sich Protein-Shake mithilfe eines Scoops vor

Ein Shake allein genügt nicht, es braucht auch Training

 

Mythos #5: Protein ist nur was für Bodybuilder

Wie bereits erwähnt, benötigen wir Protein für sämtliche Körperfunktionen. Egal, ob Du mental oder körperlich leistungsfähiger werden möchtest – Du brauchst Protein. Viele Menschen sind unterversorgt und wundern sich, wieso die Haare nicht glänzen, Muskeln nicht wachsen oder sie ständig müde sind. Die Lösung liegt auf der Hand.

Deshalb ist Protein nicht nur etwas für Bodybuilder, sondern für jeden, der fit und leistungsfähig sein möchte. 1 bis 2 g/kg Körpergewicht solltest Du dafür mindestens zuführen.

Und nein, ein höherer Proteinanteil in der Ernährung macht noch keinen Bodybuilder aus Dir.

 

Mythos #6: Quantität ist wichtiger als Qualität

Aufgrund der biologischen Wertigkeit und der Bioverfügbarkeit verschiedener Proteinquellen ist die Qualität deutlich entscheidender als die Quantität. Mit abnehmender Proteinqualität muss Dein Körper mehr Stickstoff zu Harnstoff umwandeln. Tierische Quellen verursachen weniger Abfall als pflanzliche, während essenzielle Aminosäuren am effektivsten verstoffwechselt werden.

 

Mythos #7: Das „anabole Fenster“

Innerhalb der ersten 30 Minuten nach dem Training soll die Proteinsynthese ihr Maximum erreichen, weshalb wir innerhalb dieses „anabolen Fensters“ einen Proteinshake trinken sollten.

Dies stimmt jedoch nicht. Zum einen brauchst Du zum Verdauen des Shakes teilweise sehr viel länger als 30 Minuten. Das Protein würde also gar nicht rechtzeitig ankommen. Zum anderen konnte mittlerweile gezeigt werden, dass eine um 1 bis 2 Stunden verzögerte Proteingabe genauso nützlich ist.

Übrigens: Effektiver ist es, vor dem Training einen Eiweißshake zu trinken, weil danach bereits ein Teil verdaut und aufgenommen wurde.

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Wie Protein zuführen?

Ein wichtiger Hinweis: Ganze Nahrungsmittel sollten Proteinpulvern vorgezogen werden. Letztere können aber eine sehr sinnvolle Ergänzung sein, wenn sie hochwertig sind. Lass uns zuerst einen Blick auf empfehlenswerte Nahrungsmittel werfen:

  • Fleisch aus artgerechter Haltung, auch Innereien
  • Knochenbrühe
  • Bio-Eier
  • Fisch aus Wildfang (außer Raubfische)
  • Meeresfrüchte
  • gut gekeimte und abgekochte Hülsenfrüchte
  • gut gereifter Käse und Naturjoghurt

Gute Proteinpulver mit hoher Wertigkeit bestehen aus Whey Protein, Kollagen, Reisprotein, Hanfprotein oder einem Multikomponentenprotein. Meide Proteine aus Soja, Weizen und Samen – hier sind meist zu viele Reizstoffe oder hormonähnliche Substanzen enthalten. Besonders empfehlen können wir Dir folgende Produkte unseres Partners edubily, die mit einem ausgezeichneten Preis-Leistungs-Verhältnis überzeugen: Whey-Protein-Isolat* und- Kollagen-Hydrolysat*.

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Fazit – Protein Mythen auf dem Prüfstand

Fassen wir zusammen:

  1. Dein Körper kann mehr als 30 g Protein auf einmal aufnehmen. Entscheidend ist die Tagesdosis.
  2. Wenn Du genug trinkst und hin und wieder den Proteinkonsum reduzierst, brauchst Du Dir um Deine Leber und Nieren keine Sorgen zu machen.
  3. Die biologische Wertigkeit entscheidet, wie gut Du die Proteine aus Nahrungsmitteln aufnehmen kannst. Tierische Proteine sind den pflanzlichen überlegen. Durch intelligente Kombination kannst Du auch letztere gut verdauen.
  4. Um Muskeln aufzubauen, braucht es neben einer erhöhten Proteinzufuhr auch einen Trainingsreiz.
  5. Da wir Protein für sämtliche Körperfunktionen benötigen, empfehle ich Dir, einen moderaten bis hohen Proteinkonsum mit gelegentlichen Proteinpausen (alle paar Wochen 1 bis 2 Wochen nichts ergänzen).
  6. Die Qualität des Proteins entscheidet darüber, wie viel Aminosäuren in Deinem Körper ankommen. Durch hochwertige tierische Proteinquellen wird weniger Stickstoffabfall produziert und Deine Nieren und Leber müssen weniger arbeiten. Ein Geheimtipp sind essenzielle Aminosäuren (EAA), die vom Körper nahezu rückstandslos resorbiert werden können und daher ein sehr effektives Supplement darstellen.
  7. Das „anabole Fenster“ ist ein Mythos. Wenn Du nach dem Training hungrig bist, iss. Wenn nicht, lass es bleiben.

Kennst Du noch weitere Mythen, die Du häufig zu hören bekommst? Hinterlasse uns gerne einen Kommentar!

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  • ANTONIO, J., ELLERBROEK, A., SILVER, T., VARGAS, L., TAMAYO, A., BUEHN, R. & PEACOCK, C. A. 2016. A High Protein Diet Has No Harmful Effects: A One-Year Cross-over Study in Resistance-Trained Males. J Nutr Metab, 2016, 9104792.
  • KOUW, I. W., HOLWERDA, A. M., TROMMELEN, J., KRAMER, I. F., BASTIAANSE, J., HALSON, S. L., WODZIG, W. K., VERDIJK, L. B. & VAN LOON, L. J. 2017. Protein Ingestion before Sleep Increases Overnight Muscle Protein Synthesis Rates in Healthy Older Men: A Randomized Controlled Trial. J Nutr, 147, 2252-2261.
  • LEMON, P. W., TARNOPOLSKY, M. A., MACDOUGALL, J. D. & ATKINSON, S. A. 1992. Protein requirements and muscle mass/strength changes during intensive training in novice bodybuilders. J Appl Physiol (1985), 73, 767-75.
  • MACNAUGHTON, L. S., WARDLE, S. L., WITARD, O. C., MCGLORY, C., HAMILTON, D. L., JEROMSON, S., LAWRENCE, C. E., WALLIS, G. A. & TIPTON, K. D. 2016. The response of muscle protein synthesis following whole-body resistance exercise is greater following 40 g than 20 g of ingested whey protein. Physiol Rep, 4.
  • MARTIN, W. F., ARMSTRONG, L. E. & RODRIGUEZ, N. R. 2005. Dietary protein intake and renal function. Nutr Metab (Lond), 2, 25.
  • MOORE, D. R., ROBINSON, M. J., FRY, J. L., TANG, J. E., GLOVER, E. I., WILKINSON, S. B., PRIOR, T., TARNOPOLSKY, M. A. & PHILLIPS, S. M. 2009. Ingested protein dose response of muscle and albumin protein synthesis after resistance exercise in young men. Am J Clin Nutr, 89, 161-8.

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2 Kommentare

Diana Bornhöft 26. Mai 2020 - 8:25

Hallo Moritz,

zur Knochenbrühe habe ich eine Frage: Ich bin mir unsicher, ob man durch Knochenbrühe nicht die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit begünstigt? Gibt es dazu Untersuchungen?
Vielen Dank und Gruß
Diana

Martin Auerswald, M.Sc. 27. Mai 2020 - 9:43

Hallo Diana,

Creutzfeldt-Jakob ist heute kein Risiko mehr, auch aus Knochen besteht da kein Risiko. Stromazellen im Knochenmark können von Prionen befallen werden, ja, aber in der Praxis kommt das heute nicht mehr vor. Lebensmittel aus Gehirn und Rückenmark von Rindern werden täglich von Millionen Menschen in Deutschland konsumiert, ohne Probleme 🙂

Liebe Grüße,
Martin

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