Du hast sicher schon von Vitamin A gehört – diesem wichtigen Nährstoff, der für unsere Augen, Haut, Immunsystem und mehr unverzichtbar ist. Aber wie bei vielen Dingen im Leben gilt auch hier: Zu viel des Guten kann problematisch werden. Die Frage, die sich stellt, ist, ob eine Vitamin A Überdosierung tatsächlich ein echtes Gesundheitsrisiko darstellt oder ob es sich lediglich um einen weit verbreiteten Mythos handelt, der überbewertet wird.
In diesem Artikel möchte ich Dir eine umfassende Übersicht über das Thema Vitamin A Überdosierung bieten. Wir werden erklären, was Vitamin A genau ist und warum es so wichtig für Deinen Körper ist. Wir werden auch aufzeigen, wie es theoretisch zu einer Überdosierung kommen könnte und welche Symptome auftreten können, wenn dies geschieht. Und was wissenschaftliche Studien dazu sagen.
Aber keine Sorge: Es ist entscheidend zu betonen, dass eine Überdosierung von Vitamin A äußerst selten vorkommt und in den meisten Fällen keinen Grund zur Besorgnis darstellt.
Was ist Vitamin A?
Vitamin A ist ein fettlösliches Vitamin und gehört zusammen mit Vitamin D, Vitamin K2 und Vitamin E zu dieser Gruppe. Ihnen ist als fettlösliche Vitamine gemein, dass sie sich theoretisch im Körper anreichern und erhöhte Werte die Folge sein können. Bei wasserlöslichen Vitaminen und Nährstoffen ist dies weniger relevant, bei den fettlöslichen hingegen schon.
Vitamin A kommt eine Schlüsselrolle für viele biologische Funktionen zu:
- Sehvermögen: Essentiell für die Funktion des Fotopigments in der Retina.
- Augengesundheit: Schutz vor Nachtblindheit und trockenen Augen.
- Immunsystem: Stärkt zusammen mit Vitamin D3 die Abwehrkräfte gegen Infektionen und sorgt für ein balanciertes Immunsystem, was vor Allergien, Heuschnupfen und Autoimmunerkrankungen schützt.
- Hautgesundheit: Unterstützt die Bildung und Erhaltung von gesunder Haut.
- Schleimhäute: Erhalt der Schutzbarriere in den Schleimhäuten (v.a. Haut, Lunge, Darm).
- Wachstum: Förderung von normalem Zellwachstum und -entwicklung.
- Fortpflanzung: Wichtig für die Entwicklung und Funktion der Fortpflanzungsorgane.
- Schilddrüse: Verstärkt die Bildung von fT4 und fT3 und wirkt gleichzeitig entzündungslindernd.
- Knochengesundheit: Beteiligt an der Regulation des Knochenstoffwechsels.
- Haar und Nägel: Beeinflusst das Wachstum und die Gesundheit von Haaren und Nägeln.
- Hormonregulation: Beeinflusst die Produktion von Steroidhormonen wie Testosteron.
- Embryonale Entwicklung: Wesentlich für Wachstum und Entwicklung beim Fötus.
- Reparatur von Geweben: Unterstützt die Reparatur und Erneuerung von Geweben nach Verletzungen.
Vitamin A hat viele lebenswichtige Funktionen im Körper und ist für die Gesundheit von großer Bedeutung. Aus meiner Sicht wird es sehr unterschätzt und sollte ähnlich viel Aufmerksamkeit bekommen wie sein “großer Bruder” Vitamin D.
Vitamin A und Vitamin D: Zweieiige Zwillinge
Was viele nicht wissen: Beide Vitamine ergänzen sich und wirken gemeinsam:
- Vitamin A bindet an seinen Rezeptor, den Retinoid X-Rezeptor (RXR). Davon gibt es tatsächlich noch einmal verschiedene Unter-Gruppen. Die meisten werden durch Vitamin A als cis-Retinsäure aktiviert.
- Vitamin D bindet an seinen Rezeptor, den Vitamin D-Rezeptor (VDR).
- RXR und VDR bilden nun für viele Funktionen von Vitamin A und D ein Heterodimer – binden also ein Komplex, und wirken so zusammen im Zellkern und aktivieren Gene.
Heißt: Um seine Funktionen voll zu entfalten, benötigt Vitamin A das Vitamin D, und andersherum. Sie können sich aber auch gegenseitig abpuffern und so Nebenwirkungen und Überdosierungen verhindern.
So gesehen, begünstigt ein Vitamin D-Mangel eine Vitamin A Überdosierung und ein Vitamin A-Mangel eine Vitamin D Überdosierung.
Vitamin A-Mangel ist ebenso ungünstig wie eine Vitamin A Überdosierung
Es wird gerne vor den fruchtschädigenden Wirkungen von Vitamin A und der Gefahr einer Überdosierung gewarnt. Doch wie realistisch ist dies wirklich?
Mit “fruchtschädigend” ist gemeint, dass eine Vitamin A Überdosierung während der Schwangerschaft (besonders im ersten Trimester) das Risiko für Fehlbildungen beim Embryo erhöht. Auch das Vorkommen von Teratomen (Keimzelltumoren) ist höher. Das möchte niemand, daher sollte es ernst genommen werden.
Um zu erklären, dass ein “Zuviel” ebenso ungünstig ist wie ein “Zuwenig”, möchte ich Dir etwas aus meinem Studium erzählen:
Im Master-Studium hatte ich ein Fach namens “Biotechnologie der Tiere”. Dabei lernte ich unter anderm, wie Stammzellen wirken, wie sie sich entwickeln und wie Stammzellen im Labor kultiviert werden können. Eine absolute Grundregel bei der Arbeit mit Stammzellen: Sie benötigen die richtige Menge Retinsäure (Vitamin A) in der Kulturflüssigkeit. Nicht zu viel und nicht zu wenig. Sowohl zu wenig als auch zu viel begünstigt die Bildung von Teratomen.
Heißt: Ein Vitamin A-Mangel erhöht das Risiko für Fehlbildungen genauso wie eine Vitamin A-Überdosierung.
Doch anstatt hier genau aufzuklären, wird meist pauschal vor Vitamin A gewarnt, was jedoch ein Fehler ist, da es essenziell für unsere Gesundheit und essenziell für die Entwicklung des Embryos ist.
Sehr eindrücklich kann dies in dieser Studie nachgelesen werden.
Wie viel Vitamin A in der Schwangerschaft?
Es gibt einen Bereich, in dem der Vitamin A-Bedarf von Mutter und Kind gedeckt wird und das Risiko für Fehlbildungen reduziert wird – darum geht es ja bei diesem Nährstoff. Vitamin A ist essenziell für Wachstum und Entwicklung des Embryos.
In diesem Bereich ermöglicht Vitamin A eine gute Versorgung und reduziert das Risiko für Fehlbildungen. Also genau das, was wir möchten.
Dieser Bereich ist 5.000-10.000 IE täglich. Das ist die ideale Menge während der Schwangerschaft, die wir empfehlen.
Bei weniger als 5.000 IE täglich erhöht sich das Risiko für Fehlbildungen, genauso wie bei einer täglichen Aufnahme von über 10.000 IE (über einen längeren Zeitraum von mindestens 12 Wochen).
Zusätzlich ist wichtig zu wissen, dass Nahrungsmittel wie Eigelb und Leber ein geringeres Risiko mit sich bringen als Nahrungsergänzungen. Dies liegt daran, dass Vitamin A-Bomben wie die Leber zwar sehr reich am Vitamin sind, jedoch nur eine Bioverfügbarkeit von 40 % aufweisen.
Einer Studie zufolge haben Vitamin A-Nahrungsergänzungen einen schnelleren und stärkeren Anstieg im Blut zur Folge, als Lebensmittel. Die “gute alte Leber” birgt während der Schwangerschaft also ein geringeres Risiko, als Nahrungsergänzungen.
1x pro Woche eine Portion Rinder- oder Kalbsleber ist für Schwangere eigentlich ideal (entspricht 5.000 IE Vitamin A täglich).
Abbildung: Zusammenhang zwischen Vitamin A-Aufnahme und des Fehlbildungs-Risikos während der Schwangerschaft. Das geringste Risiko liegt bei einer täglichen Aufnahme von 5.000-10.000 IE vor. Quelle: Edubily
Zwischenfazit: Zu viel Vitamin A (in der Schwangerschaft: > 10.000 IE täglich) ist genauso schädlich wie ein Vitamin A-Defizit (in der Schwangerschaft: < 5.000 IE täglich). Die ideale Menge während der Schwangerschaft sind 5.000-10.000 IE täglich.
Bist Du zeitgleich mit Vitamin D und Omega 3-Fettsäuren versorgt, verstärkt dies die Wirkung von Vitamin A und lindert das Risiko für Fehlbildungen weiter.
Symptome einer Vitamin A Überdosierung
Eine Vitamin A Überdosierung ist natürlich während der Schwangerschaft sehr akut – doch auch außerhalb der Schwangerschaft kann sie problematisch sein. An diesen Symptomen kann sie erkannt werden:
Akute Vitamin-A-Intoxikation
- Appetitverlust
- Übelkeit
- Erbrechen
- Haarausfall
- Abschälen der Haut
- Kopfschmerzen
- Schwindel
- Müdigkeit
- Vergrößerung der Leber
- Hyperkalzämie
- toxische Hepatitis
Chronische Vitamin-A-Intoxikation
- Appetitverlust
- Hauttrockenheit
- aufgeplatzte Lippen
- Mundwinkelrhagaden
- Haarausfall
- Knochenschmerzen
- Knochenabbau
- gesteigertes Risiko für Hüftgelenkfrakturen
- Lichtempfindlichkeit
- Milzvergrößerung
- Wachstumsstörungen
Vitamin A Überdosierung vs. Mangel: Wir müssen realistisch bleiben
Ja, eine Vitamin A Überdosierung ist kein Spaß. Während der Schwangerschaft möchte das niemand, aber mit Blick auf die sonstigen Symptome auch außerhalb der Schwangerschaft nicht.
Interessant zu erwähnen ist, dass trotz der weitverbreiteten Sorge vor Vitamin A eine Überdosierung so gut wie nie vorkommt – weder in der wissenschaftlichen Literatur noch aus meiner langjährigen Erfahrung in der Nährstofftherapie.
Eine Vitamin A Überdosierung ist so gut wie unmöglich, wenn man es mit einer Nahrungsergänzung oder mit Leber nicht übertreibt.
Wohingegen ein Vitamin A-Defizit etwa 70 % der Bevölkerung betrifft.
Das ist ähnlich wie bei Vitamin D: Eine Überdosierung kommt so gut wie nie vor, während ein Vitamin D-Mangel in der Bevölkerung (50-90 % je nach Jahreszeit) sehr verbreitet ist.
Hier müssen wir uns also bewusst machen, welches Problem wirklich relevant ist: nämlich der verbreitete Vitamin A-Mangel:
Eine Vitamin A Überdosierung kommt selten bis nie vor – ein Defizit sehr häufig. Global gesehen sind 190 Millionen Kinder unter 5 Jahren von Vitamin A-Mangel betroffen – 5 Millionen Kinder sterben jährlich an den Folgen eines Vitamin A-Mangels.
Wie wird eine Vitamin A Überdosierung möglich?
Während der Schwangerschaft und darüber hinaus würde ich mich an die Empfehlung von 5.000-10.000 IE täglich halten. Das ist die ideale Menge, welche ein Defizit wie auch eine Überdosis ausschließt und eine ideale Versorgung für Mutter und Embryo sicherstellt.
In einigen Studien wurde Vitamin A hinsichtlich seiner Wirkung auf die Schilddrüse, das Immunsystem oder den Fettstoffwechsel untersucht. Hier wurden Studienteilnehmern bis zu 4 Monate lang 25.000 IE (!) Vitamin A täglich als Nahrungsergänzung gegeben. Es wurden keine Nebenwirkungen beobachtet.
Für eine wirkliche, chronische Vitamin A Überdosierung müsstest Du mindestens 4 Monate lang täglich 50.000 IE oder mehr einnehmen – oder täglich mindestens 150 g Schweineleber essen (bzw. mindestens 1-1,5 kg Schweineleber pro Woche).
Für eine akute Vitamin A Überdosierung müsstest Du für einige Tage mindestens 500.000-1.000.000 (eine Million) IE Vitamin A täglich aufnehmen.
Das kommt nicht vor. So viel Vitamin A nimmt niemand. So viel Schweineleber isst niemand.
Die Unterscheidung zwischen Rinder- und Schweineleber ist hier relevant, da Rinderleber nur ein Fünftel des Vitamin A-Gehalts aufweist, wie Schweineleber.
Faktoren, die das Risiko einer Überdosierung beeinflussen
Die Überdosierung von Vitamin A ist äußerst selten, da der Körper in der Regel Mechanismen zur Regulierung und Ausscheidung dieses fettlöslichen Vitamins besitzt.
Dennoch können bestimmte Faktoren das Risiko einer Überdosierung beeinflussen. Es ist wichtig zu verstehen, wie diese Faktoren wirken, um sicherzustellen, dass du eine angemessene Menge an Vitamin A zu dir nimmst, ohne Bedenken haben zu müssen. Hier sind einige Faktoren, die berücksichtigt werden sollten:
1. Altersgruppe:
Kinder und Säuglinge sind empfindlicher gegenüber einer Überdosierung von Vitamin A als Erwachsene. Dies liegt daran, dass ihre Körper noch nicht vollständig ausgereift sind und eine geringere Toleranz gegenüber hohen Vitamin-A-Spiegeln haben.
2. Geschlecht:
Studien haben gezeigt, dass Frauen tendenziell empfindlicher gegenüber einer Überdosierung von Vitamin A sind als Männer. Dies könnte auf hormonelle Unterschiede zurückzuführen sein.
3. Schwangerschaft:
Während der Schwangerschaft ist es wichtig, den Vitamin-A-Bedarf zu decken, aber gleichzeitig eine Überdosierung zu vermeiden.
4. Nahrungsergänzungsmittel:
Die Einnahme von hochdosierten Vitamin-A-Nahrungsergänzungsmitteln ohne ärztliche Aufsicht kann das Risiko einer Überdosierung im Vergleich zu Vitamin A-reichen Lebensmitteln erhöhen.
5. Medizinische Zustände:
Einige medizinische Zustände, wie Lebererkrankungen, können die Verstoffwechselung von Vitamin A im Körper beeinflussen.
6. Ernährungsgewohnheiten:
Eine extrem einseitige Ernährung, die große Mengen an vitaminreichen Lebensmitteln wie Leber enthält, kann zu einem übermäßigen Vitamin-A-Konsum führen.
7. Nährstoffdefizite:
Nährstoffe beeinflussen sich gegenseitig. Eine Vitamin A-Überdosierung kann bei einer gleichzeitig guten Versorgung mit Vitamin D und Omega 3-Fettsäuren verhindert oder abgepuffert werden.
Fazit: Eine Vitamin A Überdosierung kommt nicht vor
Wir müssen unterscheiden zwischen Schwangeren und Nicht-Schwangeren:
Schwangere benötigen Vitamin A für die Entwicklung und Gesundheit des Embryos – nicht zu viel, nicht zu wenig. 5.000-10.000 IE täglich sind ideal. Eine Portion Rinderleber pro Woche trägt hier zur Nährstoff-Versorgung bei, birgt aber kein Risiko eines “Zuviel”.
Bei Nicht-Schwangeren tritt eine Vitamin A-Überdosis erst nach längerer Einnahme (> 4 Monate) von 50.000 oder mehr IE Vitamin A auf. Das ist nahezu unmöglich, wenn Du nicht täglich Leber isst oder übermäßige Mengen eines Nahrungsergänzungsmittels zuführst.
Wir empfehlen täglich 5.000-10.000 IE.
Ich handhabe es so, dass ich darauf achte, einmal wöchentlich eine gute Portion (200-300 g) Rinderleber zu essen. In Wochen, in denen ich keine Rinderleber (oder andere Leber) esse, nehme ich täglich 5.000-10.000 IE Vitamin A in Form eines Tropfenpräparats auf, zusammen mit Vitamin D und K2.
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- https://edubily.de/blogs/ratgeber/vitamin-a-in-der-schwangerschaft
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