Funktionelles Training – Sinnvoll oder Hype?

von Moritz Penne
Veröffentlicht: Zuletzt bearbeitet:
Junger Mann in Kniebeuge auf Steg mit Meer und Sonnenaufgang im Hintergrund

In jeder Stadt siehst Du Plakate, auf denen durchtrainierte Athleten abgebildet sind, die funktionelles Training bewerben. Doch was steckt eigentlich dahinter? Und wie sinnvoll ist diese Trainingsform? Genau diesen Fragen gehen wir heute auf den Grund.

Einige Trainingsbausteine wirst Du mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits kennen und ein paar davon eignen sich perfekt, um Deinen Puls ordentlich auf Trab zu bringen – versprochen!

 

Was ist funktionelles Training?

Schaut man sich funktionelle Trainingsprogramme an, stellt man fest, dass sie mehrere Gemeinsamkeiten aufweisen: Trainiert werden stets natürliche Bewegungen, bei denen zumeist ein externes Gewicht frei kontrolliert werden muss und möglichst viele Muskeln und Gelenke beteiligt sind.

Selbst die Olympioniken des alten Griechenlands haben im Grunde schon funktionell trainiert: Sprinten, Springen, Werfen oder das Heben schwerer Gewichte stand schon damals auf dem Plan. Mit der Etablierung des funktionellen Trainings hat man das Rad also nicht neu erfunden. Deshalb würde ich lediglich von einer Neuauflage sprechen und nicht von einer Revolution des Trainings.

Funktionelles Training ist ein Training, das natürliche Bewegungen imitiert und damit alltägliche Tätigkeiten unterstützt. Ein simples, aber sinnvolles Konzept.

 

Natürliche Bewegungen

Ziel ist es, Dir natürlicher Bewegungen bewusst zu werden, die Du im Fitnessstudio oder zu Hause nachahmen kannst. Dazu zählen Springen, Laufen, Heben, Werfen und viele mehr. Ein gutes und klassisches Beispiel für eine natürliche Bewegung ist die Kniebeuge. Trainieren wir Kniebeuge, trainieren wir die Bewegung, die wir beim Hinsetzen und Aufstehen ausführen.

Übrigens: Die tiefe Hocke kann auch bei Rückenproblemen helfen oder bei Beschwerden, die durch zu langes Sitzen verursacht werden. Stehe einfach einmal pro Stunde auf und lasse Dich so tief wie möglich nach unten. Halte den Rücken dabei möglichst gerade und drücke die Knie nach außen. Die Übung ist perfekt geeignet, um Deine Beweglichkeit und Stabilität zwischendurch zu verbessern.

Menschliche Bewegungen sind sehr vielseitig, deshalb solltest Du auch vielseitig trainieren. Das bedeutet, hin und wieder zu laufen, zu springen, schwere Gewichte zu bewegen, eine Ballsportart zu betreiben und immer mal wieder etwas Neues auszuprobieren. Deiner Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Solange die Bewegung eine natürliche ist, ist sie auch funktional.

Gleichzeitig wird hier eine Abgrenzung der funktionellen Übungen zum gewöhnlichen Fitnesstraining deutlich. Vor 10.000 Jahren wärst Du keinem Menschen begegnet, der eine Maschine bemüht, um Bizeps-Curls zu machen – wohl aber jemandem, der auf einen Baum klettert. Wenn ich im Fitnessstudio bin, frage ich mich manchmal, wie viel Urmensch noch im Homo sapiens steckt.

 

Freie Gewichte

Was die Bizepsmaschine nicht bieten kann, ist das Bewegen freier Gewichte. Das hat den Vorteil, dass die Maschine sicherer ist und es weniger Trainer im Studio bedarf, die die Leute in die Geräte einweisen. Gleichzeitig ist das Fehlen freier Gewichte ein Manko, denn dadurch geht ein großer Teil des Übungsreizes verloren.

Hast Du schon einmal Überkopf-Kniebeuge ausprobiert? Dann weißt Du, wovon ich spreche. Die Übung erfordert nicht nur viel Kraft und Stabilität, sondern auch eine hervorragende Überkopf-Beweglichkeit und Balance, um das Gewicht über Deinem Schwerpunkt zu stabilisieren. Übungen wie diese beanspruchen Dein Gehirn und sorgen dafür, dass Du nicht stumpf vor Dich hin „pumpst“.

Ein anderes Beispiel ist das Steinheben, das auf Island praktiziert wird. Wahrscheinlich ist es das ursprünglichste Krafttraining, das mit externen Gewichten durchgeführt wird. Die unhandlichen Brocken verlangen Dir alles ab, was Du als guter Sportler besitzen solltest: Kraft, Geschwindigkeit, Explosivität, Koordination, Balance und Bewegungsintelligenz.

Keine Sorge, Du musst Dir nicht für jedes Training ein Feld suchen, um dort schwere Steine zu stemmen – das Ganze funktioniert auch wunderbar mit einer Langhantel. Kraftdrücken, Kreuzheben, Kniebeugen und Reißen sowie Stoßen (olympisches Gewichtheben) zählen zu den besten funktionellen Übungen mit externem Gewicht.

 

Mehrere Gelenke und Muskeln

Was macht diese Übungen so besonders? Dein gesamter Körper wird beansprucht. Beim Ausführen einer Kniebeuge sollte jeder Muskel Deines Körpers angespannt sein und Dein Fuß-, Knie- und Hüftgelenk mit voller Bewegungsamplitude arbeiten, damit Du das Gewicht absenken und wieder aufstehen kannst.

Gleichzeitig sparst Du auf diese Weise viel Zeit, weil Du mehrere Muskeln gleichzeitig trainierst und Dir somit die entsprechenden Isolationsübungen sparen kannst. Natürlich werden Deine Muskeln dadurch nicht so stark beansprucht wie bei einem Bodybuilder. Um fit auszusehen und gesund zu bleiben, reichen Kniebeuge, Kreuzheben, Kraftdrücken, Laufen und etwas Gewichtheben allerdings vollkommen aus.

Übrigens: Mehr über funktionelle Übungen erfährst Du im Beitrag Crossfit Übungen. Der Beitrag enthält außerdem tolle Videoanleitungen!

 

Wieso solltest Du funktionell trainieren?

Nachdem Du nun weißt, was funktionelles Training ist, werden die Vorteile deutlich. Erstens sparst Du Zeit, wenn Du gleichzeitig mehrere Muskeln trainierst. Zweitens helfen Dir die natürlichen Bewegungen im Alltag. Und drittens kommt Dir eine verbesserte Koordination und Stabilität in jeder Sportart zugute.

 

Funktionelles Training als Grundlage für andere Sportarten und den Alltag

Das Fitness- oder Krafttraining sollte als Grundlage fungieren, damit Du in Deiner Hauptsportart oder beim Krafttraining besser wirst. Die schnelle Hüftstreckung, die beim Gewichtheben durchgeführt wird, hilft Dir beim Hochsprung sowie beim Hand-, Volley- oder Basketball. Kniebeugen lassen Dich schneller sprinten und Schwung-Klimmzüge verbessern Deine Wurfkraft.

Neben der Leistungssteigerung dient funktionelles Training auch der Prävention. Eine starke Schulter mit einer austrainierten Rotatorenmanschette bereitet Dir seltener Probleme. Starke Beinbeuger verzeihen einen schnellen Antritt beim Fußball und ein Rücken, der Dir erlaubt, Kreuzheben mit 200 kg Gewicht durchzuführen, versagt Dir nicht so schnell den Dienst.

Obwohl diese Punkte für sich sprechen, trainieren viele Athleten keine funktionellen, mehrgelenkigen Bewegungen. Das gilt übrigens nicht nur für Sportler. Möchtest Du auch im hohen Alter Deine Einkäufe selbst nach Hause tragen, das oberste Schrankfach mit schweren Pfannen bestücken oder in der Lage sein, Dich ohne Hilfe hinzusetzen und aufzustehen? Dann ist funktionelles Training unabdingbar.

Die Gewichte und der Schwierigkeitsgrad können für jede Altersgruppe und jedes Leistungsniveau angepasst werden, damit Du ein Leben lang beweglich, kräftig und selbstständig bleibst.

 

Bessere Ansteuerung und Koordination

Weil zahlreiche Muskeln an den Übungen beteiligt sind, verbessert sich Deine Bewegungsqualität und Koordination. Dies verringert das Verletzungsrisiko und beugt Dysbalancen vor. Nach Kniebeugen kann es z. B. vorkommen, das Dir der obere Rücken wehtut, weil Du an dieser Stelle das Gewicht stabilisieren musstest.

Darüber hinaus kannst Du Alltagsbewegungen nicht nur selbstständig, sondern auch sicherer durchführen. Lernst Du beispielsweise beim Krafttraining, wie Du ein schweres Gewicht hebst und dabei den Rücken gerade hältst, wirst Du es beim nächsten Umzug genauso handhaben.

 

Mehr Muskeln rekrutieren – Ganzkörpertraining

Funktionelles Training sorgt für mehr Selbstständigkeit im Alter, ist sicher und zudem extrem effektiv. Da Du den gesamten Körper beanspruchst und trainierst, reichen 1 bis 2 Übungen pro Trainingseinheit aus. Stundenlanges Training im Fitnessstudio ist damit passé, sodass Dir mehr Zeit für Dinge bleibt, die Dir Spaß machen.

Dreimal 30 Minuten Krafttraining pro Woche – mehr braucht es nicht, um Deinen Alltag zu bewältigen und eine perfekte Grundlage für jegliche Sportarten zu schaffen.

 

Junger Mann in Startposition beim Sprint auf Aschenbahn

Bist Du bereit loszulegen? Auch Sprints können Teil Deines funktionellen Trainings sein 🙂

 

So startest Du durch – ein funktioneller Trainingsplan für Einsteiger

Bist Du neugierig geworden? Möchtest Du funktionelles Training gerne in Deinen Alltag integrieren? Dann nichts wie los! Für den Start empfehlen wir dreimal 30 Minuten pro Woche. Für das Training benötigst Du eine Langhantel und Gewichte. Alternativ kannst Du die Übungen auch mit Kurzhanteln oder Kettlebells durchführen.

 

Kreuzheben

Start:

  • Stehe hüft- bis schulterbreit. Deine Hände befinden sich neben den Hüften und umfassen das Gewicht mit festem Griff.
  • Ziehe die Langhantel zu Dir und beuge Dich nach vorne. Die Langhantel sollte Deine Schienbeine berühren und Deine Schultern sollten sich minimal vor der Stange befinden.
  • Deine Hüfte befindet sich zwischen den Knien und der Schulter. Der Blick geht leicht nach vorne auf den Boden.
  • Die Langhantel befindet sich über Deinen Schnürsenkeln.

Bewegung:

  • Drück Dich vom Boden ab. Deine Fersen bleiben dabei auf dem Boden.
  • Lass die Arme gestreckt und kontrolliere in einem Video, dass die Langhantel gerade nach oben geht. Das erreichst Du, indem Du die Knie leicht zurückschiebst und sich Schulter und Hüfte gleichmäßig nach oben bewegen.
  • Nachdem Du die Knie passiert hast, ziehst Du die Langhantel nahe an Deinem Oberschenkel entlang und richtest den Oberkörper vollständig auf.
  • Strecke auch Hüftgelenk und Kniegelenke durch.
  • Atme tief aus und ein und leite die Rückbewegung ein, indem Du mit der Hüfte zurückgehst.
  • Halte die Langhantel wieder nah an den Beinen, drücke die Knie aus dem Weg und senke das Gewicht mit geradem Rücken zurück zum Boden ab.

 

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Kniebeuge

Start:

  • Die Füße befinden sich unter Deinen Schultern. Zieh den Bauch so stark ein wie möglich. Gerne kannst Du Dir auch einen Finger in den Bauch drücken, den Du durch die Spannung, die Du aufbaust, wieder herauspresst.
  • Die Zehen befinden sich parallel zueinander oder sind leicht nach außen gedreht. Du stehst aufrecht und schaust nach vorne.
  • Die Langhantel liegt auf dem oberen Rücken. Die Ellenbogen sind unter der Stange, die Du umfasst und gerade hältst.

Bewegung:

  • Leite die Bewegung ein, indem Du die Hüfte leicht nach hinten und dann nach unten bewegst. Lass den Bauch angespannt.
  • Halte den Oberkörper aufrecht und drücke die Knie beim Absenken nach außen.
  • Die Knie sollten sich die gesamte Zeit über den Zehenspitzen befinden.
  • Senke Dich soweit ab, dass sich Deine Hüfte unter den Knien befindet und der untere Teil Deiner Wirbelsäule gerade bleibt.
  • Drücke Dich anschließend nach oben, bis Du wieder gerade stehst. Belaste beim Aufstehen den gesamten Fuß.

 

Kraftdrücken

Start:

  • Stehe ungefähr hüftbreit und spanne Bauch, Beine und Po die ganze Zeit an.
  • Fasse die Langhantel mit vollem Griff leicht neben den Schultern und lege sie auf dem vorderen Schulterteil ab.
  • Die Ellenbogen befinden sich etwas vor der Stange und der Blick geht nach vorne.

Bewegung:

  • Ziehe beim Anfang der Bewegung den Kopf leicht zurück, ohne den restlichen Körper zu bewegen.
  • Drücke die Stange dann gerade nach oben, bis die Arme voll ausgestreckt sind.
  • Bewege die Langhantel anschließend wieder nach unten und nimm Deinen Kopf aus dem Weg, bevor Du die Schultern erreichst.
  • Achte darauf, dass die Langhantel einen geraden Weg nach oben und unten beschreibt und über Deiner Fußmitte bleibt. Nimm zur Kontrolle ein Video von Dir von der Seite auf.

 

Klimmzug

Start:

  • Starte in einer hängenden Position. Die Hände befinden sich leicht neben den Schultern.
  • Dein Körper ist angespannt und beschreibt eine Linie. Die Schultern ziehst Du von den Ohren weg.
  • Umfasse die Stange mit der gesamten Hand.

Bewegung:

  • Ziehe Dich aus dem Rücken und den Armen nach oben, bis Du mit dem Kinn über die Stange kommst. Senke Dich anschließend wieder ab.
  • Strecke die Arme voll aus, bevor Du mit der nächsten Wiederholung beginnst.
  • Sollten 5 Klimmzüge kein Problem für Dich sein, kannst Du damit beginnen, Schwung-Klimmzüge durchzuführen.

Standumsetzen

Start:

  • Starte in der Kreuzhebeposition. Schau nach vorne und halte den Oberkörper etwas aufrechter.
  • Klemme Deinen Daumen mit dem Mittel- und Zeigefinger ein. Die Daumenklemme hilft Dir, das Gewicht zu halten.

Bewegung:

  • Führe das Gewicht wie beim Kreuzheben zur Hüfte.
  • Sobald Du die Knie passiert hast und mit dem Oberkörper aufrecht bist, schiebst Du die Knie unter die Langhantel, bevor Du springst.
  • Erreicht die Langhantel den oberen Teil Deines Oberschenkels und ist dieser aufgerichtet, springe mit gestreckten Armen nach oben.
  • Halte das Gewicht dabei eng am Oberkörper und strecke die Hüfte voll durch.
  • Zieh anschließend die Armen nach oben.
  • Lande mit dem Gewicht auf den Schultern, indem Du die Knie bei der Landung leicht beugst, mit dem Oberkörper aufrecht bleibst und die Ellenbogen so hoch nimmst wie möglich.

 

Sprint

Start:

  • Dein schwächeres Bein befindet sich an der Startlinie. Das andere Bein befindet sich etwas versetzt hinter Dir.
  • Lehne Dich mit dem Oberkörper leicht nach vorne. Lass die Arme angewinkelt und sieh nach vorne.

Bewegung:

  • Beim Start drückst Du Dich so stark wie möglich mit Deinem hinteren Bein ab und richtest Dich mit jedem Schritt weiter auf.
  • Versuche auf dem Vorderfuß zu laufen.
  • Richte Dich bei maximaler Geschwindigkeit auf und halte den Rhythmus.

 

Der Trainingsplan

Tag 1 Tag 2 Tag 3
Standumsetzen 7*2 mit 2 min Pause Kniebeuge 5*5 mit 3 min Pause Kreuzheben 5*3 so schwer es geht mit 3 min Pause
Sprint 5*30 m mit 2 min Pause Kraftdrücken 3*10 mit 2 min Pause Klimmzüge 5* maximale Wiederholungen mit 2 min Pause

 

Fazit – funktionelles Training als nachhaltige Trainingsmethode

Für ein funktionelles Training bedarf es nur weniger, natürlicher Bewegungen, die Deinen gesamten Körper beanspruchen. Das Training ist kurz, extrem effektiv und hilft Dir dabei, bis ins hohe Alter fit und selbstständig zu bleiben. Probiere es aus und schreibe mir, wenn Du Fragen hast oder erste Erfahrungen teilen willst!

 

Quellen

Videos sind dem © CrossFit entnommen

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