Muskelkrämpfe: Was wirklich hilft

Was ist ein Muskelkrampf?

Ein Muskelkrampf ist das plötzliche und unfreiwillige Kontrahieren einer Muskulatur. Meist sind Waden, Beinrückseite, Beinvorderseite, Bauchmuskeln, Arme, Hände oder Füße betroffen. Diese Kontraktionen sind meist schmerzhaft und unangenehm. Manche Menschen haben diese vermehrt, andere kaum. Woran liegt das, und was kann man dagegen tun?

Wie entsteht ein Muskelkrampf?

Man sollte meinen, dass Muskelkrämpfe gut untersucht und verstanden sind. Tatsächlich gab es lange Zeit nur vage Theorien, die von Dehydration bis zu neuromuskulären Problemen reichten. Die genauen Mechanismen hinter Muskelkrämpfen sind immer noch nicht geklärt. Dennoch gibt es verschiedene Theorien und Ursachen für Muskelkrämpfe:

  • Elektrolyt-Ungleichgewicht: Für eine optimale Muskelfunktion benötigen wir Elektrolyte, wie Natrium, Kalium und Natrium. Wenn diese fehlen, kann der Muskel nicht richtig kontrahieren und entspannen.
  • Überlastung oder Erschöpfung: Wenn ein Muskel zu stark belastet wird, durch Sport oder einseitiges Arbeiten, kann er müde werden und verkrampfen. Bestimmte Übungen, die Muskeln isoliert aktivieren, können bei ungeübten genauso starke Krämpfe hervorrufen. Diese lassen aber meist nach, wenn die Übung häufiger durchgeführt wird.
  • Dehydration: Eine umstrittene, aber anerkannte Ursache für Muskelkrämpfe ist Dehydration des Körpers oder ein Flüssigkeitsmangel.
  • Kälte: Kälte kann die Blutgefäße verengen und somit den Blutfluss und Nährstofffluss in den Muskel verringern. Deshalb bekommen manche Menschen bei Kälte vermehrt Muskelkrämpfe.
  • Fehlfunktion der Nerven: Manchmal senden Nerven falsche Signale an den Muskel. Dies kann durch das Einklemmen im Bereich der Wirbelsäule geschehen, durch Stress, Überlastung oder ein Ungleichgewicht an Elektrolyten. Dadurch zieht sich der Muskel plötzlich zusammen, obwohl er es eigentlich nicht sollte.

Eine Muskelkontraktion kannst du dir wie das Ziehen an einem Seil vorstellen: Myosin sind wie kleine Hände, die an einem Seil namens Aktin ziehen, um den Muskel zu verkürzen. Damit die Hände loslassen und wieder ziehen können, brauchen sie Energie in Form von ATP. Bei einem Krampf bleiben die Hände am Seil hängen und lassen nicht los. Das passiert oft, weil nicht genug Energie oder wichtige Mineralien wie Kalzium da sind. Dadurch bleibt der Muskel angespannt und es kommt zu einem schmerzhaften Krampf.

Wenn du tiefer in die Physiologie der Muskelkontraktion eintauchen willst, empfehle ich dir dieses Video


Weitere medizinische Ursachen

  • Einnahme von Cholesterinsenkern: Die Einnahme von Cholesterinsenkern, wie Statinen, kann als Nebenwirkung zu vermehrten Muskelkrämpfen führen. In diesem Artikel findest du natürliche Möglichkeiten, deinen Cholesterinspiegel zu verbessern.
  • Schilddrüsenprobleme
  • Typ 2 Diabetes
  • Leberzirrhose
  • Alkoholmissbrauch
  • Parkinson
  • Durchblutungsstörungen

Mythen und was nicht hilft

Rund um das Thema Muskelkrämpfe tummeln sich viele Mythen, welche nicht hilfreich sind. Schauen wir sie uns etwas genauer an.

Mythos: Magnesium

Die allgemeine Empfehlung bei Krämpfen ist Magnesium. Magnesium ist aber in der Muskelkontraktion nicht direkt beteiligt und auch Studien zeigen keine positive Wirkung von Magnesium in Hinblick auf die Reduktion von Muskelkrämpfen. Eine magnesiumreiche Ernährung und Magnesium-Supplementation sind durchaus vorteilhaft für viele Prozesse im Körper, doch in Hinblick auf Muskelkrämpfe scheinen sie keinen Unterschied zu machen. Hier stehen Erfahrungen und Studien entgegen. Viele Menschen schwören auf Magnesium gegen Muskelkrämpfe, während Studien diesen Zusammenhang nur geringfügig anerkennen. Einen Versuch ist es dennoch wert. In einem 2020 erschienenen Review wurden 11 Goldstandard-Studien zu Magnesium-Supplementation bei Muskelkrämpfen untersucht. Die Auswertung umfasst 735 Studienteilnehmer. Das Ergebnis: Magnesium hilft wahrscheinlich nicht. [1] Eine Ausnahme zeigt die Magnesiumeinnahme bei Krämpfen in der Schwangerschaft. Hier kann die Supplementation in einigen Fällen gute Wirkung zeigen. [2]

Mythos: Bananen

Viele glauben, dass das Essen von Bananen wegen ihres Kaliumgehalts Muskelkrämpfe sofort löst. Tatsächlich könnte Kalium ein Faktor sein, aber das Essen einer Banane hilft kaum in akuten Situationen, da es zu lange dauert, bis die Nährstoffe im Muskel ankommen. Zwar enthalten Bananen viel Kalium, das für die Muskelfunktion wichtig ist, jedoch braucht der Körper Zeit, um dieses aufzunehmen und in die Muskeln zu transportieren. In akuten Situationen kann das Essen einer Banane daher keinen unmittelbaren Effekt auf den Krampf haben. Auch konnte bis jetzt noch nicht nachgewiesen werden, dass ein Mangel an Kalium tatsächlich das Risiko für Muskelkrämpfe erhöht. [3]

Wasser trinken

Während Wasser trinken natürlich wichtig für die Hydration des Körpers ist, hat es wohl nur bedingt Einfluss auf die Häufigkeit und Intensität von Krämpfen. Im Gegenteil: Das Trinken von übermäßig viel Wasser spült eher Elektrolyte aus dem Körper und kann somit das Risiko für Krämpfe erhöhen.

Mythos: Dehnen zur Prophylaxe

Dehnen kann eine wirksame Maßnahme bei akuten Krämpfen sein, doch zeigt Dehnen keinen Effekt zur Vorbeugung oder Verhinderung zukünftiger Krämpfe. [3] Weiter unten im Artikel erfährst du, welche Dehnübungen hier hilfreich sein können.

Was wirklich funktioniert

Dehnen bei akuten Krämpfen

Dehnen stellt die beste Maßnahme bei akuten Krämpfen dar. [3] Durch Dehnen wird der betroffene Muskel sanft verlängert und ein übermäßiger Spannungszustand aufgelöst. Bei einem Krampf zieht sich der Muskel unwillkürlich und intensiv zusammen. Durch das Dehnen wird der Muskel gezwungen, sich zu entspannen, da Dehnungsrezeptoren aktiviert werden, die das Signal zur Entspannung senden. Außerdem verbessert Dehnen die Durchblutung im Muskel, wodurch Sauerstoff und Nährstoffe besser zugeführt werden können. Wie oben angemerkt, scheint Dehnen nur bei akuten Krämpfen hilfreich zu sein und nicht zum Vermeiden von Krämpfen.

  • Waden-Dehnung
  • Quadrizeps-Dehnung
  • Hamstring-Dehnung
  • Trizeps-Dehnung
  • Bauchmuskeldehnung
  • Fußsohlen-Dehnung
Dehnübungen zur Linderung von Muskelkrämpfen

Hierfür bedarf es keine komplexen Dehnübungen, sondern einfache Basics. Du kannst die Übungen aus den Bildern entnehmen.

Salz

Das Trinken von Salz-Wasser kann helfen, Muskelkrämpfe zu lindern, vorausgesetzt sie entstehen durch einen Mangel an Natrium. Der Mangel an Natrium wurde als ein häufiger Grund für Krämpfe identifiziert. Elektrolyte wie Natrium sind entscheidend für die Funktion der Muskeln und Nerven, da sie die Übertragung von elektrischen Signalen im Körper regulieren. Fehlen Elektrolyte, funktioniert die Signalübertragung nicht optimal und das Entspannen des Muskels kann eingeschränkt werden. Bei intensivem Schwitzen und häufigem Urinieren geht vermehrt Natrium verloren, was Muskelkrämpfe begünstigt. Deshalb spricht man in den Sportwissenschaften auch von Hitze-Krämpfen, die auftreten, wenn Sportler bei starker Hitze Sport machen.

In Untersuchungen zu Muskelkrämpfen bei Tennisspielern konnte man feststellen, dass der am meisten ausgeschwitzte Elektrolyt Natrium ist. Auch konnte gezeigt werden, dass die Spieler, welche mehr Natrium ausschwitzen, öfter Krämpfe entwickeln als Spieler, die weniger Natrium ausschwitzen. Die Empfehlung der Sportwissenschaftler hierzu: Dem Wasser Salz hinzufügen. Dies zeigt sich auch als effektiv bei akuten Krämpfen. [4]

Elektrolytmischungen

Elektrolytmischungen können effektiv gegen Muskelkrämpfe vorbeugen.

Ein Elektrolytungleichgewicht liegt vor, wenn der Elektrolytspiegel in Ihrem Körper entweder zu hoch oder zu niedrig ist. Dies kann auf Faktoren wie übermäßiges Schwitzen oder eine unzureichende Aufnahme von Elektrolyten, insbesondere während des Trainings, zurückzuführen sein. Dieses Ungleichgewicht ist eine häufige Ursache für Muskelkrämpfe, da es die Fähigkeit der Muskeln beeinträchtigt, sich richtig zusammenzuziehen und zu entspannen. Studien haben ergeben, dass bei durch Elektrizität verursachten Muskelkrämpfen die Aufnahme von reinem Wasser nach Dehydrierung die Muskeln anfälliger für Krämpfe macht, während die Einnahme von elektrolytreichen oralen Rehydratationslösungen diesen Effekt umkehrt. [5]

Eine Elektrolytmischung sollte Natrium, Kalium, Magnesium und Kalzium enthalten. Elektrolytmischungen gibt es im Drogeriemarkt, der Apotheke oder Online zu kaufen. Beim Kauf sollte aber darauf geachtet werden, dass die Elektrolyte in einem ausgewogenen Verhältnis stehen und künstliche Aromen und Farbstoffe vermieden werden. Zucker darf vorhanden sein und ist sogar in Maßen gewünscht, da er die Wirkung verstärkt.

Als natürliche Alternative eignen sich folgende Lebensmittel. Die Elektrolyte werden nicht sofort aufgenommen, sondern benötigen einige Zeit, bis sie im System landen. Ausnahme: Kokoswasser.

  • Kokoswasser
  • Gurken
  • Wassermelone
  • Orangen & Orangensaft
  • Zitronen
  • Salzwasser
  • Avocado

Essiggurkensaft

In einer kleinen experimentellen Studie verursachte man mittels elektrischer Stimulation des Schienbeinnervs einen Muskelkrampf. Die Teilnehmer sollten dann entweder deionisiertes Wasser oder Saft von Essiggurken trinken. Es zeigte sich: Gurkensaft hilft bei akuten Krämpfen innerhalb von 35 Sekunden. [6] Das Trinken von Gurkenwasser verringert im Vergleich zu Wasser die Krampfdauer um durchschnittlich 15 Sekunden. Wieso weiß man tatsächlich nicht genau, es liegt aber nicht an den enthaltenen Elektrolyten. Die krampflösenden Effekte zeigen sich schon bevor die Elektrolyte ins Blut übergehen können. Es wird angenommen, dass die enthaltene Essigsäure der entscheidende Inhaltsstoff ist.

Apfelessig

Apfelessig kann bei Muskelkrämpfen ein hilfreiches Mittel sein, besonders wenn herkömmliche Elektrolytlösungen nicht helfen. Apfelessig enthält, genauso wie Essiggurkensaft, Essigsäure, die eine wichtige Rolle bei der Regulierung des Neurotransmitters Acetylcholin spielt. Acetylcholin ist unter anderem für Muskelkontraktion und -entspannung zuständig. In einer Studie aus dem Jahr 2020 [7] wurde gezeigt, dass Essigsäure bestimmte Nerven im Rachen stimulieren kann. Dadurch wird das Signal, das den Muskelkrampf auslöst, verringert. Außerdem trägt die saure Eigenschaft des Apfelessigs dazu bei, das Körper-pH-Level auszugleichen, was hilfreich sein kann, wenn ein zu alkalisches Milieu zu Krämpfen führt. Apfelessig sollte immer in Wasser gelöst werden, z.B. 1 EL in 300 ml.

Nerv befreien

Wie oben erwähnt, kann eine Ursache hinter Muskelkrämpfen das Fehlsignal eines Nerves sein. Wenn der Nerv eingeklemmt wird, kann das die Signale zum Muskel unterbrechen oder überstimulieren. Dies kann z.B. bei einem Bandscheibenvorfall, einer Fehlhaltung oder einer Muskelverspannung passieren. Hier können Physiotherapie oder Massagen wirksam sein. Für die Anwendung daheim eignen sich Wärme sowie Kälte und bestimmte Mobilitätsübungen. Die Arbeit mit Faszienbällen oder Tennisbällen im Bereich der Wirbelsäule hat sich hier besonders bewährt. Die Anwendung empfehle ich intuitiv mit Rücksicht auf den Körper durchzuführen.

Anti-Krampf-Drink

Kombinieren wir das nun gesammelte Wissen, können wir einen leckeren, elektrolytreichen Drink vor dem Sport herstellen:

Zutaten

  • 250 ml Kokoswasser
  • 1 TL Apfelessig
  • 1 TL – 1 EL Honig
  • ½ TL Salz
  • Saft einer halben Zitrone
  • Wasser nach Bedarf (mind. 250 ml)

Fazit

  • Die genauen Ursachen und Mechanismen hinter Muskelkrämpfen sind noch nicht geklärt.
  • Krämpfe können viele Ursachen haben und sollten bei häufigem Auftreten medizinisch abgeklärt werden.
  • Eine häufige und behebbare Ursache ist das Ungleichgewicht von Elektrolyten.
  • Magnesium hilft in den meisten Fällen NICHT gegen Krämpfe.
  • Dehnen kann bei akuten Krämpfen schnell Linderung schaffen.
  • Salzwasser kann Krämpfe vorbeugen und lindern.
  • Essigsäure aus Gurkensaft und Apfelessig kann Krämpfe möglicherweise lindern.
  • Wer beim Sport zu Krämpfen neigt, profitiert möglicherweise von Elektrolytmischungen oder dem angegebenen Anti-Krampf-Drink.

  1. [1] Garrison, S. R., Korownyk, C. S., Kolber, M. R., Allan, G. M., Musini, V. M., Sekhon, R. K., & Dugré, N. (2020). Magnesium for skeletal muscle cramps. The Cochrane database of systematic reviews, 9(9), CD009402. https://doi.org/10.1002/14651858.CD009402.pub3
  2. [2] Supakatisant, C., & Phupong, V. (2015). Oral magnesium for relief in pregnancy-induced leg cramps: a randomised controlled trial. Maternal & child nutrition, 11(2), 139–145. https://doi.org/10.1111/j.1740-8709.2012.00440.x
  3. [3] Troyer, W., Render, A., & Jayanthi, N. (2020). Exercise-Associated Muscle Cramps in the Tennis Player. Current reviews in musculoskeletal medicine, 13(5), 612–621. https://doi.org/10.1007/s12178-020-09662-8
  4. [4] Bergeron M. F. (2003). Heat cramps: fluid and electrolyte challenges during tennis in the heat. Journal of science and medicine in sport, 6(1), 19–27. https://doi.org/10.1016/s1440-2440(03)80005-1
  5. [5] Lau, W. Y., Kato, H., & Nosaka, K. (2019). Water intake after dehydration makes muscles more susceptible to cramp but electrolytes reverse that effect. BMJ open sport & exercise medicine, 5(1), e000478. https://doi.org/10.1136/bmjsem-2018-000478
  6. [6] Miller, K. C., Mack, G. W., Knight, K. L., Hopkins, J. T., Draper, D. O., Fields, P. J., & Hunter, I. (2010). Reflex inhibition of electrically induced muscle cramps in hypohydrated humans. Medicine and science in sports and exercise, 42(5), 953–961. https://doi.org/10.1249/MSS.0b013e3181c0647e
  7. [7] Hooper Marosek, S. E., Antharam, V., & Dowlatshahi, K. (2020). Quantitative Analysis of the Acetic Acid Content in Substances Used by Athletes for the Possible Prevention and Alleviation of Exercise-Associated Muscle Cramps. Journal of strength and conditioning research, 34(6), 1539–1546. https://doi.org/10.1519/JSC.0000000000003595