Ist tierisches Eiweiß wirklich so schlecht? Eine Analyse

von Martin Auerswald, M.Sc.
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Tierisches Eiweiß, darunter Eier, Fleisch, Fisch

Von unter anderem Vegetariern, Veganern, Anhängern der Säure-Base-Balance sowie Lesern von Zentrum der Gesundheit hört man immer wieder, dass tierisches Eiweiß schädlich ist. Aber stimmt das? Ist diese Aussage wissenschaftlich haltbar?

Schauen wir uns das Ganze etwas genauer an und überprüfen, ob tierisches Eiweiß mehr schadet oder nützt.

 

Was ist tierisches Eiweiß?

Zunächst ist nicht klar, was mit tierischen Eiweißen oder tierischen Aminosäuren überhaupt gemeint ist. Wir verstehen darunter „tierische Produkte mit einem hohen Proteinanteil“. Also Eier, Fisch, Fleisch, Milchprodukte, Proteinpulver.

Problematisch ist, dass bei tierischem Eiweiß stark verallgemeinert wird. Denn ernährungswissenschaftlich und biochemisch betrachtet, ist die Behauptung „tierisches Eiweiß ist ungesund“ nicht haltbar. Warum, klären wir im Folgenden.

Einige Kritikpunkte kommen immer wieder zur Sprache. Tierisches Eiweiß …

  • erhöht das Risiko für zahlreiche Krebsarten, darunter Darmkrebs und Prostatakrebs.
  • erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Bluthochdruck.
  • ist nicht für den menschlichen Körper geeignet.

 

Tierische Eiweiße im Detail – jetzt wird’s kritisch

Es gibt im menschlichen Körper 21 proteinogene Aminosäuren (wenn Selenocystein dazugerechnet wird). Aminosäuren sind die kleinsten Bestandteile der Proteine. Letztere sind lange Aminosäureketten.

Aus denselben 21 Aminosäuren besteht tierisches Eiweiß. Und in pflanzlichem Eiweiß sind dieselben 21 enthalten.

Je stärker eine Proteinquelle der Aminosäurezusammensetzung im menschlichen Körper ähnelt, desto höher ist ihre biologische Wertigkeit. Bei einer idealen Bioverfügbarkeit kann der Körper Nahrungsprotein in Aminosäuren zerlegen und daraus Protein aufbauen, das nahezu 1:1 dem körpereigenen entspricht.

Weißt Du, welche Proteine die höchste Bioverfügbarkeit haben? Yep – tierische Proteine. Auf diesen Punkt werden wir noch genauer zu sprechen kommen. Dennoch hier schon einmal die wichtigste Info: tierische Eiweiße sind effektiver für unsere Ernährung als pflanzliche.

 

Ist tierisches Eiweiß wirklich so schlecht und wenn ja, warum?

Es gibt keine eindeutigen Beweise dafür, dass tierisches Eiweiß per se schädlich ist. Die Behauptung stützt sich auf Assoziationsstudien, die zeigen, dass das Risiko für bestimmte Erkrankungen umso höher ist, je mehr tierisches Eiweiß in der Ernährung vorkommt (Fung, 2016 & Kaluza, 2015).

Diese Behauptung steht jedoch auf sehr wackligen Beinen. Im Anschluss möchte ich Dir anhand einiger Punkte aufzeigen, warum tierisches Eiweiß kein Problem ist und dass es sogar sehr gesund sein kann, sofern die Bedingungen stimmen.

Denn Eiweiß ist nicht gleich Eiweiß, und Tier ist nicht gleich Tier.

Tranchieren eines rosa gebratenen Steaks auf Holzbrett in Nahaufnahme

Besonders rotes Fleisch gilt als unsgesund

 

#1 Sauer vs. Basisch

Argument Nummer 1, wenn es um tierisches Eiweiß geht: Es ist sauer beziehungsweise erzeugt große Mengen Säuren im Körper, die der Gesundheit schaden.

Im Beitrag über die Säure-Basen-Theorie habe ich ausführlich dargelegt, warum das Säure-Basen-Konzept wissenschaftlich nicht haltbar ist und auf falschen Tatsachen aufbaut.

Selbst wenn tierisches Eiweiß Säuren produzieren würde, in einer gesunden und nachhaltigen Ernährung machen pflanzliche Lebensmittel etwa 70 % des täglichen Speiseplans aus: Obst, Gemüse, Beeren, Pilze, Nüsse, Samen, Tee, gekeimte Hülsenfrüchte, Pseudogetreide.

Das heißt, selbst wenn tierisches Eiweiß Teil der Ernährung ist, kann diese letztlich basisch sein. Schließlich sollte Ernährung als Ganzes betrachtet und nicht auf einen Bestandteil reduziert werden.

 

#2 Verarbeitet vs. unverarbeitet

Ein weiterer Fehler besteht darin, dass „tierische Eiweiße“ in einen Topf geworfen werden. Es ist nicht richtig, Nahrungsmittel auf seine Makronährstoffe herunterzubrechen (wie Eiweiß, Fett, Kohlenhydrate).

Denn Nahrung besteht aus mehr als nur „Makros“ – nämlich aus Mikronährstoffen, Spurenelementen, Wasser, Ballaststoffen, sekundären Stoffen, biogenen Aminen und weiteren Informationen, die wir noch nicht kennen.

Je unverarbeiteter und unbehandelter ein Stück Fleisch/Fisch/Ei/Käse, desto gesünder. Bei jedem Verarbeitungsschritt gehen Nährstoffe und damit „Lebenskraft“ verloren und chemische Zusatzstoffe werden hinzugefügt. Zwar enthalten ein BigMac und Hackfleisch beide tierisches Eiweiß, aber letzteres ist viel gesünder als der Burgerpatty, der Transfette, Salz, Geschmacksverstärker und Konservierungsmittel birgt.

Tierische Produkte sollten so unverarbeitet wie möglich konsumiert werden.

 

#3 Massentierhaltung vs. Weidehaltung

Einerseits gibt es Rinder, die in in enge Ställe gepfercht werden, nie die Sonne sehen, nur mit Mais und Soja gemästet werden sowie 2-mal täglich Wachstumshormone und Antibiotika geimpft bekommen. Andererseits solche, die auf saftigen Weiden grasen dürfen, fast das ganze Jahr draußen sind und noch nie eine Spritze gesehen haben.

Tierisches Eiweiß liefern Rinder beider Haltungsformen, aber auf biochemischer Ebene bestehen große Unterschiede. Und zwar sowohl hinsichtlich Fettsäuren und Gesamtfettgehalt also auch in Bezug auf Stresshormone und Antibiotika, die Deine Darmflora stören.

Tierische Produkte aus artgerechter Haltung müssen den Vorrang erhalten.

 

#4 Edelteile vs. Nose-to-tail

Ein gern (und zu Recht) genanntes Argument der Kontra-tierisches-Eiweiß-Fraktion lautet, dass schwefelhaltige Aminosäuren wie Methionin nur unter großem oxidativem Stress abgebaut werden können. Dieser begünstigt z. B. Entzündungen.

Doch es gibt ein „Gegenmittel“, das diese negativen Effekte komplett abpuffert. Die Rede ist von Glycin, einer Aminosäure (Brind et al., 2014).

In üblichem Fleisch, Fisch und Eiern ist Glycin eher spärlich vorhanden. Aber in Kollagen kommt es reichlich vor – und damit in den weniger edlen Teilen vom Tier wie den Knochen, Markknochen, Sehnen, Haut, Knorpel, sehniges Fleisch und Innereien.

Essen wir das ganze Tier, also nicht nur die Edelteile, bekommt unser Körper automatisch genug Glycin, um Methionin abzupuffern. Daher schreiben wir hier so gerne von Nose-to-tail, was bedeutet, das ganze Tier zu essen. Nicht nur aus ethischen, sondern auch aus gesundheitlichen Gründen.

Für die Praxis: Öfters Knochenbrühe einkochen, Organfleisch, Sehnen und sehniges Fleisch zubereiten. Kollagenreiches Fleisch lässt sich gut schmoren, etwa beim nächsten Sonntagsbraten.

Oder für ganz Faule: Das Edubily Kollagen-Hydrolysat.*

 

#5 Allergenes Potenzial

Es gibt tierische Eiweißquellen, auf die viele Menschen allergisch reagieren. Dazu zählen Schalentiere, Eier und Milchprodukte. Im Idealfall sollte jeder Mensch wissen, welche Nahrungsmittel er gut verträgt und welche weniger. Dabei helfen gute Nahrungsallergietests, wie der von Biobalance:

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Wenn Du weißt, gegen welche Nahrungsmittel Dein Körper unterschwellig mit Entzündungen reagiert, kannst Du Dich darauf einstellen. Ich persönlich vertrage Schweinefleisch, Eier und Milchprodukte nicht optimal, daher meide ich sie oder reduziere sie zumindest stark. Aber deswegen würde ich tierisches Eiweiß nicht an sich verteufeln.

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Auch rein immunologisch lassen sich tierischen Eiweiße nicht in einen Topf werfen. Jemand mit Milcheiweißallergie verträgt 30 g Eiweiß aus Whey Protein.

 

#6 Essenzielle Aminosäuren

Tierisches Eiweiß enthält Aminosäuren in der für uns optimalen Zusammensetzung. Die biologische Wertigkeit von Fleisch, Eiern oder Fisch lässt sich nicht vergleichen mit Weizen, Soja, Nüssen und Gurken. Zwar lassen sich mit dem richtigen Wissen pflanzliche Proteinquellen so kombinieren, dass die Wertigkeit sehr gut wird. Aber zeigt uns das nicht, dass unser Körper für tierische Produkte gemacht ist?

Weidehaltung

Weidehaltung ist der Idealfall

 

Wie es dem Tier geht, so wirkt sich das Nahrungsmittel auf unsere Gesundheit aus. Ging es dem Tier schlecht, steigt das Risiko für Erkrankungen. Ging es dem Tier gut, ist es ein gesundes Lebensmittel.

 

#7 Schonend zubereiten

Frittiertes und scharf angebratenes Fleisch (oder Eier) muss von gekochtem oder gedämpftem unterschieden werden. Warum? Bei hohen Temperaturen reagieren auf der Oberfläche Stoffe namens AGE (advanced glycation endproducts). Sie machen das Fleisch knusprig und braun. Bei einem sensiblen Immunsystem oder Darmproblemen können sie jedoch Entzündungen begünstigen.

Besonders bei Morbus Crohn, Colitis ulcerosa und Reizdarm kommt dies öfters vor. Deshalb sollte Fleisch dann eher gedämpft und gekocht werden, statt gebraten. Frittieren empfehle ich grundsätzlich nicht.

Bei Eiern kann es zum Beispiel sein, dass das Cholesterin oxidiert, vor allem bei zu heiß gebratenen Spiegeleiern. Deshalb sollten sie schonend gebraten werden (sodass das Eigelb noch flüssig ist). Alternativ eignen sich weich gekochte Eier.

Das gilt  für alle tierischen Produkte: Wenn der Körper sensibel darauf reagiert, lieber schonend zubereiten. 

 

Neu5Gc – wenn rotes Fleisch zum Problem wird

Rotes Fleisch enthält wie viele Nahrungsmittel Stoffe, auf die der Körper allergisch reagieren kann. Hierzu gehört Neu5Gc (eine Sialinsäure), der sich in rotem Fleisch findet, im menschlichen Körper aber nicht vorkommt. Wird er über die Nahrung aufgenommen, kann der Körper dagegen Antikörper produzieren.

Bei einigen Erkrankungen, hauptsächlich Autoimmunerkrankungen wie Hashimoto und alle rheumatischen Erkrankungen, können diese Neu5Gc-Antikörper die Krankheitssymptomatik verschlechtern. Wird rotes Fleisch gemieden, geht es Betroffenen häufig sehr viel besser.

Fakt ist: Neu5Gc kann für einige Menschen zum Problem werden, aber nicht jeder reagiert darauf. Es ist also wie bei einer Allergie. Deshalb müssen auch nicht alle darauf verzichten.

Es muss individuell gedacht werden: Welche Nahrungsmittelallergien liegen bei mir vor? Wie fühle ich mich nach dem Verzehr von rotem Fleisch (Schwein, Lamm, Rind)?

Wenn Du das Gefühl hast, rotes Fleisch oder Schwein/Rind/Lamm im Einzelnen nicht gut zu vertragen, dann verzichte testweise für eine Woche darauf und beobachte, wie es Dir damit geht.

 

Wie kann ich tierische Eiweiße gesund verzehren?

Es gibt richtige und falsche Wege, tierische Eiweiße aufzunehmen. Genauso, wie es richtige und falsche Wege gibt, sich zu ernähren.

Wenn Du die folgenden Punkte beachtest, musst Du keine Angst vor den toxischen Wirkungen der tierischen Eiweiße haben:

  1. Iss das ganze Tier, auch weniger edle und mehr kollagenreiche Teile.
  2. Berücksichtige Deine Nahrungsmittelallergien (ermittle sie z. B. mit einem Bluttest für Zuhause).
  3. Iss tierische Produkte möglichst unverarbeitet.
  4. Iss tierische Produkte möglichst aus artgerechter Haltung.
  5. Achte auf eine gesunde, vielseitige und ausgewogene Ernährung, in der maßgeblich pflanzliche Nahrungsmittel auf dem Speiseplan stehen. Die Paleo Ernährung, Clean Eating oder auch Ayurveda gewährleisten das.
  6. Im Zweifelsfall bereite die Produkte schonend zu, um die Entstehung von AGE zu minimieren. Also lieber kochen und dämpfen, statt scharf anbraten.
  7. Wenn Du an einer Autoimmunerkrankung leidest oder das Gefühl hast, nach dem Verzehr von rotem Fleisch geht es Dir nicht gut, dann verzichte testweise für 1 bis 2 Wochen und beobachte, wie es Dir geht.

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Diese Punkte sind für uns Teil einer gesunden Ernährung, bei der nicht auf tierische Produkte verzichtet werden muss. Die American Heart Association hat dies in einer Untersuchung bestätigt.

Fleisch sollte nur in höchster Qualität und unverarbeitet konsumiert werden. Es enthält zahlreiche gesunde Nährstoffe wie:

Wenn Du Deine Ernährung mit Proteinpulver ergänzen möchtest, gib lieber ein paar Euro mehr aus und setze auf höchste Qualität: Ich verwende das Edubily Whey Protein Isolat* und das Edubily Kollagen-Hydrolysat*.

 

Fazit – lass Dich nicht verunsichern

Tierische Produkte in Bio-Qualität und möglichst unverarbeitet, als Teil einer gesunden Ernährung, sind gesund. Solange Du nicht allergisch darauf reagierst. Dies ist das Fazit dieses Beitrags.

Sie können zum Problem werden, wenn sie nicht aus Bio-Haltung stammen, verarbeitet werden, die Ernährung zu einseitig ausfällt oder Nahrungsmittelallergien bestehen.

Doch die pauschale Aussage, dass tierische Eiweiße gefährlich sind, ist nicht haltbar.

Der Mensch isst seit Millionen Jahren tierische Produkte. Nur deren Form und Qualität sollten stimmen. Massentierhaltung und starke Verarbeitung von Lebensmitteln führen dazu, dass sie unserer Gesundheit abträglich sind.

Zeit, wieder zu unseren natürlichen und gesunden Wurzeln zurückzukehren.

 

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3 Kommentare

Ralf 12. Januar 2020 - 7:40

“Die American Heart Association hat dies in einer Untersuchung bestätigt.” welche Firmen sind die maßgeblichen Sponsoren dieser Organisation? Interessanter Weise sind es vor allem die Firmen die tierische Produkte herstellen! Warum hat die WHO Wurst in die Klasse 1 und rotes Fleisch in die Klasse 2 der karzinogenen Stoffe klassifiziert – weil Sie so gesund sind? Warum wurde Milch in vielen Studien als Trigger von verschiedenen Krebsarten (Brust, Prostata,…) bestimmt.

Sandro 3. März 2020 - 15:00

Der Fakt, dass die besten Sportler der Neuzeit Vegan leben ist, eigentlich schon genug, um zu sagen, dass man Tierische Proteine nicht braucht.
Die Leistungsfähigkeit ist mit Pflanzlicher Ernährung um ein vielfaches höher.

Martin Auerswald, M.Sc. 3. März 2020 - 19:57

Und eben das ist ein Mythos. Vegane Propaganda-Filme wie “Game Changers” suchen sich ein paar Beispiele für sich pflanzlich ernährende Sportler aus und sagen dann, dass diese Menschen die Speerspitze der Evolution darstellen. Tun sie nicht. Es sind ein paar pflanzliche Spitzensportler unter vielen sich auch tierisch ernährenden Sportlern.
Ja, man kann vegan leben – aber optimal ist das nicht. Und eine erhöhte Leistungsfähigkeit bedeutet das auch nicht.

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