Bewegungsmangel bei Kindern vorbeugen – 7 Tipps

von Martin Krowicki, Dr. rer. medic.
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Bewegungsmangel bei Kindern

„Mama, schau wie hoch mein Drache fliegt!“ „Opa, spielst du mit mir Fußball?“ „Omi, kannst du für mich die größte Seifenblase der Welt machen?“ „Fang mich doch!“

Wer kleinen Kindern beim Spielen zuschaut oder selber mitspielt, merkt, wie viel Spaß sie an Bewegung haben.
Kinder haben ein natürliches Bewegungsbedürfnis. Sie lieben es, zu rennen, klettern und zu toben. Ob Fangen spielen oder den Sandkasten umgraben, Seilspringen oder den Hügel runterkullern. Kinder haben an verschiedensten Formen von Bewegung Spaß.

Langes Sitzen oder Stehen dagegen ist für sie Höchststrafe. So kennen bestimmt viele Eltern die Situation, wenn bei einer Familienfeier im Restaurant die Kinder mit der Zeit immer zappeliger werden und einfach nicht mehr still sitzen wollen bzw. können.


Der heutige Gastbeitrag stammt von Pamela Kühn, Physiotherapeutin und Mama von zwei Kindern. Auf ihrem Blog www.spielen-und-toben.de geht es um gesundes und glückliches Aufwachsen. Dort findest Du Beschäftigungsideen für draußen und drinnen, gesunde Rezepte und Tipps für den Alltag mit Kindern.

In diesem Artikel zeigt sie Dir, warum Bewegung für Kinder so wichtig ist, wie Du Bewegungsmangel ganz einfach verhindern kannst und dabei noch viel Spaß mit deinen Kindern hast!

Vielen Dank an Pamela für diesen lesenswerten Artikel mit vielen praktischen Tipps und eigenen Erfahrungen!

Warum nimmt der Bewegungsmangel bei Kindern zu?

Obwohl Kinder sich grundsätzlich gerne bewegen, nimmt der Bewegungsmangel bei Kindern immer mehr zu. Woran liegt das?
Digitale Medien, wie Fernsehen oder Computerspiele nehmen leider einen immer größer werdenden Stellenwert ein. Zeit, die Kinder zum Beispiel vor dem Fernseher verbringen fehlt als mögliche Bewegungszeit. Und auch beim Spielen an der Spielekonsole sitzen die Kleinen komplett passiv. Wie schnell ist hier eine Stunde ohne Bewegung vergangen!

Spielekonsole

Bewegungsräuber: Kinder verbringen immer mehr Zeit vor Bildschirmen.

Aber auch die möglichen Bewegungsräume nehmen immer mehr ab. Kinder werden häufig mit dem Auto zur Schule gebracht, Spielplätze sind teilweise in schlechtem Zustand oder die Eltern leben selber nicht genug Spaß an der Bewegung vor. Denn wenn Mama und Papa lieber mit dem Aufzug in den 2. Stock fahren, werden auch unsere Kinder gewohnheitsmäßig nicht die Treppe benutzen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass Kinder zu wenig Zeit draußen verbringen. Denn am besten können Kinder ihrem Bewegungsdrang in der freien Natur nachkommen. Dort ist genug Platz zum Austoben. Eine Wohnung bietet nur sehr begrenzt Raum für körperliche Aktivität. Auch die meisten Spielsachen für drinnen, wie z.B. Puzzle, Puppenküche oder Mal- und Bastelsachen sind eher auf statisches Spielen ausgerichtet. Ein Rutscherle oder Hüpfball, mit dem die Kids durch die Wohnung sausen und hüpfen können, ist – verständlicherweise – nur in wenigen Mehrfamilienhäusern gern gesehen.

 

Warum ist Bewegung für unsere Kinder so wichtig?

Bewegung spielt in jedem Alter eine wichtige Rolle. Für Kinder ist körperliche Aktivität aber besonders wichtig. Sie befinden sich noch in der motorischen, kognitiven, sensorischen und sozialen Entwicklung. Bewegung hat hierbei in vielerlei Hinsicht einen wichtigen Einfluss.

So bewirkt sie eine Kräftigung der Muskulatur, fördert eine aufrechte Körperhaltung und die Entwicklung einer gesunden Beinachse. Das perfekte Zusammenspiel von Nerven und Muskeln kann nur durch körperliche Aktivität entstehen. Durch die verbesserte Koordination stolpern Kinder z.B. nicht mehr so oft, lernen einen Ball zu fangen oder beim Fangen spielen schnell die Richtung zu wechseln.

Bewegung bewirkt eine Verbesserung der Durchblutung. So nimmt auch der Blutfluss im Gehirn zu und steigert die Konzentrationsfähigkeit. Ebenso wird die Lerngeschwindigkeit durch Sport positiv beeinflusst. Aktive Kinder tun sich dadurch in der Schule oft deutlich leichter.

Aber auch auf einer ganz anderen Ebene ist körperliche Aktivität ein wichtiger Faktor. Gemeinsames Bewegen fördert ein gesundes Sozialverhalten, steigert die Kontaktfreudigkeit und verbessert die Hilfsbereitschaft sowie Konfliktfähigkeit.

Ausgeglichenere Kinder durch Sport? Ja! Bewegung senkt den Cortisolspiegel (Stresshormone) und lindert Anspannung, reduziert Stimmungsschwankungen und trägt zum allgemeinen Wohlbefinden bei.

Kinder rennen

Bewegung fördert die Gesundheit von jung und alt

Vielleicht kennt ihr die Situation am Wochenende. Es ist Sonntag 11 Uhr und zu Hause fliegen die Fetzen! Die Kleine weint, weil der Große sie geschubst hat. Der Große schreit, weil die Schwester seine Kugelbahn zerstört hat… Dabei hat morgens alles ganz harmonisch begonnen. Nach dem Frühstück haben die Geschwister so schön miteinander gespielt und jetzt folgt ein Streit nach dem anderen. Ein klarer Fall von Lagerkoller! Den Kindern fehlt Bewegung, Platz zum Rennen und Toben – und vielleicht auch ein Tapetenwechsel.

Körperliche Aktivität hat noch viele weitere positive Einflüsse auf den Körper. Hierzu zählt die Verbesserung des Immunsystems, Förderung eines guten Schlafes, Steigerung des Selbstvertrauens und auch eine größere Bewegungsfreude und Motivation.

 

Bewegt sich mein Kind genug?

Wer sich nicht sicher ist, ob sein Kind genügend Bewegung hat, der kann sich an den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation orientieren. Die WHO empfiehlt für Kleinkinder mindestens 3 Stunden körperliche Aktivität. Diese sollte über den Tag verteilt sein und verschiedene Intensitäten umfassen.

Es können Tätigkeiten sein, wie z.B. Fahrrad fahren, gemeinsames Spazieren gehen, Zimmer aufräumen, im Haushalt helfen, einkaufen gehen oder Inlineskaten.
Mindestens 60 Minuten davon sollten allerdings Bewegungen mit mittlerer bis höherer Intensität sein. Dabei darf das Kind dann gerne auch mal außer Puste kommen. Ob Fangen spielen, das Klettergerüst hochklettern, Treppe steigen, Kinderturnen oder anderer Sport – hier kann man nach den persönlichen Vorlieben des Kindes gehen.

Es geht also nicht darum, dass dein Kind jeden Tag in den Sportverein geht. Es zählen auch schon die kleinen alltäglichen Aktivitäten. Diese werden am besten über den ganzen Tag verteilt. Denn Kinder sollten nicht länger als 1 Stunde am Stück von Bewegung abgehalten werden, z.B. durch Sitzen im Kinderwagen.

Die WHO empfiehlt hier übrigens ganz klar: Je mehr Bewegung, desto besser.

 

7 Tipps für mehr Bewegung

 

1. Bewegung in den normalen Alltag einbauen

Ein wichtiger Schritt ist zunächst einmal zu überlegen welche Alltagswege aktiver gestaltet werden können. Ist es möglich, dass ich mit meinem Kind zum Kindergarten laufe? Wo können wir die Treppe statt dem Aufzug benutzen? Muss ich unbedingt mit dem Auto zum Einkaufen fahren oder ist es vielleicht möglich, einige Besorgungen mit dem Fahrrad bzw. Laufrad zu erledigen? Oft sind es schon die vermeintlich kleinen Dinge, die am Ende des Tages ein deutlich größeres Plus auf dem Bewegungskonto erzielen.

 

2. Einem Sportverein beitreten

Für jedes Alter gibt es unterschiedliche Sportangebote. Von Kinderturnen über Fußball, Tanzen, Basketball, Leichtathletik, Cross-fit, Tennis oder Klettern. Probiert doch einfach mal das ein oder andere aus – ich bin mir sicher, dass auch dein Kind eine passende Sportart findet und dabei viel Spaß hat.

Kinder Fußball

Fußball steht immer noch ganz oben bei den Lieblingssportarten. Aber auch anderer Vereinssport ist zu empfehlen.

 

3. Die eigene Einstellung ändern

Wenn ich selber keinen Spaß an Bewegung habe, jeden Weg mit dem Auto zurücklege und Sport als unnötige Belastung empfinde, wird es natürlich schwierig, dass mein Kind diesbezüglich eine andere Einstellung bekommt. Insbesondere in den ersten Lebensjahren übernehmen wir Eltern die wichtigste Vorbildfunktion.

Aktive Eltern haben meist auch aktive Kinder.

Wichtig ist hier auch, dass Bewegung nie als Bestrafung gesehen werden sollte. Die Aussage „Dann musst du heute zu Fuß laufen!“ wird nicht dazu führen, dass Kinder Bewegung als etwas Positives sehen. Bewegung soll Spaß machen und keine Pflicht oder Bestrafung sein.

 

4. Draußen spielen

Wie oben erwähnt, haben Kinder Outdoor einfach mehr Platz und Möglichkeiten sich auszutoben. In der Natur brauchen Kinder gar nicht viel. Sie haben selber meist tolle Ideen und die Natur stellt schon genug „Spielsachen“ bereit. Mit viel Kreativität werden Naturmaterialien gesammelt, damit gebaut oder gebastelt.

Im Sommer klappt das mit dem Rausgehen oft recht gut. Die meisten Eltern sind mit ihren Kindern dann viel im Freien unterwegs. Rutschen auf dem Spielplatz, eine Radtour zum Badesee oder auch Kreide malen im Hof – bei schönem Wetter fallen einem viele tolle Sachen ein.

Anders ist es im Herbst und Winter. Was soll ich denn bei kaltem, regnerischem oder windigem Wetter mit meinen Kindern draußen machen? Oft mangelt es zu Beginn erst mal an Beschäftigungsideen. Auf www.spielen-und-toben.de stelle ich viele Spielideen für jedes Wetter vor.

Und wer einmal gesehen hat wie viel Spaß Kinder bei Regenwetter mit Pfützen haben, der wird schnell merken, dass es eigentlich kein „schlechtes“ Wetter gibt!

Herbst

Jede Jahreszeit lädt zu Bewegung ein

 

5. Weniger digitale Medien

Zeit die Kinder vor dem Fernseher oder Tablet verbringen ist i.d.R. immer passiv. Diese Zeit fehlt dadurch automatisch für Bewegung. Hier ist die klare Empfehlung, so wenig digitale Medien wie möglich zu verwenden.

Wenn eure Kinder fernsehen, dann sollte das nicht am Nachmittag sein. Denn das ist die beste Zeit zum Spielen, Toben und vor allem Rausgehen!

Damit ihr in Ruhe das Abendessen kochen könnt, darf dein Kind zu dieser Zeit immer Kinderfilme schauen? Vielleicht ist es ja eine Option, stattdessen eine digitale Sportstunde zu nutzen. In der Lockdown-Zeit habe ich darauf auch immer wieder gerne zurückgegriffen. Empfehlen kann ich hier z.B. ALBAs tägliche Sportstunde.

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6. Gesunde Ernährung

Bewegung und gesunde Ernährung gehen Hand in Hand. Kinder, die sich ausgewogen ernähren, haben mehr Energie für Bewegung. Eine zu hohe Kalorienzufuhr, insbesondere durch fettreiche Speisen und Süßigkeiten führen zu Übergewicht.

Und wer selber schon einmal ein paar Pfunde zu viel hatte, der weiß, dass Bewegung dadurch schwerfälliger und anstrengender wird. Meist nimmt dann auch der Spaß an der Bewegung ab und die Motivation raus zu gehen schwindet.

 

7. Für Ausgleich sorgen (z.B. vor Autofahrten)

Was tun, wenn ich eine längere Bewegungspause nicht vermeiden kann? Der Sommerurlaub steht an und damit verbunden auch eine lange Autofahrt. Manchmal lässt es sich einfach nicht vermeiden, dass Kinder über einen längeren Zeitraum sitzen müssen. Dann ist es besonders wichtig, dass man für Ausgleich sorgt. So sollte man die Kinder unbedingt vor dem Losfahren noch einmal austoben lassen. Ich renne dann gerne mit meinen beiden ein paar Runden durch den Garagenhof und spiele mit ihnen fangen, sodass wir alle so richtig außer Puste kommen.

Auch während der Fahrt sind regelmäßige Pausen sehr wichtig. Allerdings bringt diese nichts, wenn man sie lediglich zum Essen im Rastplatzrestaurant nutzt. Besser ist es, ein Handtuch als Unterlage mitzunehmen, die Brotzeit ins Auto zu verlagern und die Pausen dann komplett für Bewegung zu nutzen.

 

Fazit: Gesund und glücklich aufwachsen – ohne Bewegung geht es nicht!

Körperliche Aktivität ist für eine gesunde kindliche Entwicklung auf verschiedenen Ebenen ein unersetzbarer Faktor.
Da Kinder grundsätzlich ein natürliches Bewegungsbedürfnis haben, braucht man meist gar nicht viel, um auf das tägliche Mindestmaß an Bewegung zu kommen.

Infographik zu Bewegungsmangel bei Kindern

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Insbesondere das Spielen in der Natur ist für unsere Kinder gesund und bereichernd. Das Wetter stellt hierbei kein Hindernis dar. Mit passender Kleidung ausgerüstet, wird auch ein Regentag zum Abenteuer für unsere Kleinen (s. Mikroabenteuer).

Zusätzlich hat es für uns Erwachsene viele positive Faktoren, wenn wir mit unseren Kindern Zeit im Freien verbringen und dort gemeinsam spielen. Hier kommen wir zum einen auch unserem täglichen Bewegungsbedürfnis nach und fördern gleichzeitig eine gute Bindung zwischen uns und unserem Kind bzw. Enkelkind.

Also ab in die Gummistiefel und rein in den Matsch!

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2 Kommentare

Oliver Hammerschmidt 12. November 2021 - 11:10

Hi,
nicht nur die Verfettung durch den Bewegungsmangel sehe ich als großes Problem, sonder auch, dass durch zu wenig Bewegung gerade auch an der frischen Luft das aktuell so wichtige Immunsystem nicht richtig gestärkt wird. Ich sehe es selbst in unserem Umfeld, wie viele Kinder drinnen “betüddelt” werden und dadurch aber auch alle Nase lang krank sind.
Bewegung ist für uns alle, egal ob Kinder, Erwachsene oder Senioren, extrem Wichtig:

Lieben Gruß
Olli

Antworten
Anja Simons 30. Januar 2022 - 15:21

Meine Kinder sind im Grunde genommen sehr aktive Kinder. Nur Papa hat gar keine Zeit, und ich spiele nicht besonders gern mit meinen Kindern. Klar, im Sommer gehen wir Handball spielen, auch Inlineskater fahren wir. Meistens aber gehen wir spazieren. Die Kinder haben daran inzwischen nicht die geringste Lust mehr. Und ich dann auch nicht, wenn ich sie förmlich zwingen muss. Ich selbst mache gerne Sport, aber es muss auch für mich sein. Das ist es definitiv nicht, wenn Kinder dabei sind. Und dass Kinder freiwillig stundenlang im Wald spielen und viele kreative Ideen haben, sehe ich nicht. Der Wald ist gerade 200m entfernt, sie haben die Freiheit fast jederzeit hinzugehen, oder auch andere Kinder mitzunehmen, nur sie tun es nie. Sie waren in einem Kindergarten, in dem sie täglich 3 Stunden im Wald waren und der große war, der Kleine ist in einer Grundschule, in der sie noch 2* wöchentlich in den Wald gehen. Das scheint zu reichen. Als sie Kleinkinder waren hatten sie sehr viel Bewegung, jetzt als Grundschulkind und in der weiterführenden Schule ist die Bewegung massiv gesunken. Glücklicherweise spielen sie gern Handball. Und wenn die Einschränkungen vorbei sind, gehen wir wieder 2* die Woche schwimmen. Das haben sie immer sehr geliebt und tun es noch. Vorausgesetzt das Wasser ist warm genug.

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