Gentechnik nein danke?! Was Du unbedingt wissen solltest …

von Martin Auerswald, M.Sc.
Forscher spritzt Apfel auf weißem Tisch

Gentechnik. Vor kaum einem anderen Konzept haben Deutsche so viel Angst wie vor diesem. Deshalb fällt die Reaktion in der Regel so aus: Gentechnik nein danke!?

Diese Haltung hat eine Ursache: Wird in der Öffentlichkeit über Gentechnik gesprochen, kommen meistens die Menschen zu Wort, die am wenigsten davon verstehen. Es wird viel Halbwissen sowie Unsinn über das Thema verbreitet und Panik geschürt.

Da ich jemand bin, der jeden Tag mit Gentechnik und Gentechnik-Erzeugnissen arbeitet, um diese Welt ein wenig besser zu machen, möchte ich Dir erklären, was es mit Gentechnik wirklich auf sich hat und warum sie jeden Tag tausende Leben rettet.

 

Was ist eigentlich Gentechnik?

Gentechnik bedeutet, gezielt in das Genom – die DNA – eines Organismus einzugreifen. So nimmt zum Beispiel ein Hundezüchter gezielt Einfluss aufs Tier, allerdings auf Phänotypebene (also in Bezug auf das äußere Erscheinungsbild des Hundes). Er betrachtet den Hund als Ganzes und züchtet so lange, bis sich eine neue Eigenschaft ergibt oder sich eine bestehende „verbessert“.

Ein Genetiker widmet sich den Genen eines Organismus und manipuliert sie so, dass sich Vorteile ergeben. Das, was Züchter seit Tausenden und die Evolution seit Milliarden Jahren machen, vollzieht der Genetiker im Reagenzglas. Das Ergebnis „pflanzt“ er dann in einen Organismus ein. Die Prozesse sind also die gleichen, nur kann ein Genetiker sehr viel schneller und gezielter vorgehen.

Banane Gentechnik nein DAnke

Wilde Banane (unten) vs. gezüchtete Banane (oben). Bedenke die Unterschiede, wenn Du das nächste Mal über Gentechnik herziehst.

 

Was ist ein Gen?

Ein Gen ist die kleinste Einheit unseres Erbguts, der DNA. Es ist die Bauanleitung für ein bestimmtes Protein. Jeder Mensch hat davon etwa 23.000.

Alles, was Du isst und trinkst, enthält DNA von Tieren, Pflanzen, Viren und Bakterien. Du verleibst Dir also jeden Tag ein paar Gramm fremder DNA ein. Diese wird von Deinem Verdauungsapparat abgebaut, verdaut und ausgeschieden. Diese Gene wirken sich nicht nennenswert auf Deine Gesundheit aus. Ähnlich ist es mit gentechnisch veränderten Pflanzen. Diese bösen „Gene“ beeinflussen Deinen Körper nicht sonderlich. Dasselbe gilt für künstliche Gene.

 

Was ist Biotechnologie?

Im Master habe ich Molekulare Biotechnologie an der TU München studiert. Sie ist die Schnittstelle aus Gentechnik, Mikrobiologie und Biochemie. Ich habe gelernt, wie ich einen Organismus auf DNA-Ebene so manipulieren kann, dass er genau das produziert, was ich möchte.

Mithilfe der Biotechnologie konnte unser Leben in den letzten 30 Jahren revolutioniert werden – allerdings werden die Erfolge massiv unterschätzt. Vielen ist zudem unklar, wie oft sie zum Einsatz kommt und wie nützlich sie ist. Die Anwendungsbereiche in der Praxis sind unendlich.

Was ich mit diesem Wissen im Studium gemacht habe?

  • Ich habe Algen mit Zucker gefüttert und dann zugesehen, wie sie daraus Biodiesel produzieren.
  • Ich habe Fragmente eines Antikörpers, der bei rheumatoider Arthritis eingesetzt wird, in Bakterienzellen hergestellt, die üblicherweise nur im Darm vorkommen (E. coli). Antikörper sind Proteine, die einen ganz bestimmten Stoff erkennen und binden. Dieser Stoff ist in 95 % der Fälle ein anderes Protein.
  • Ich habe Enzyme untersucht, die in Biogasanlagen Pflanzenfasern abbauen und daraus Traubenzucker erzeugen. Ein Enzym ist ein Protein, das eine ganz bestimmte chemische Reaktion durchführt.
  • Im Rahmen nahezu jeder Laborarbeit benutzen Biologen heute die Erzeugnisse aus Gentechnik: Antikörper sind dabei mit Abstand am wichtigsten, um Veränderungen in einer Zelle zu sehen. Außerdem Enzyme, die bei gentechnischen Arbeiten benötigt werden.

 

Warum Gentechnik jeden Tag Leben rettet und unser Leben angenehmer macht

Gentechnik und Biotechnologie sind weit verbreitet und bilden die Lebensgrundlage für ein paar Millionen Menschen in Deutschland. Das liegt daran, dass große Teile der Nahrungsmittel-, Chemie- und Pharmaindustrie darauf angewiesen sind. Um zu verdeutlichen, wie allgegenwärtig beide Methoden sind, möchte ich Dir einige Beispiele liefern. Hier spielen Biotechnologie und Gentechnik eine Rolle:

  • Antikörper für die Krebstherapie und für die Forschung
  • Biodiesel, Biogas, Biowasserstoff
  • neuartige probiotische Joghurts, die bei schlimmen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder dem Reizdarmsyndrom helfen können
  • Wachstumshormone für Kinder mit Wachstumsstörungen
  • Hormonersatztherapie für Männer im Alter oder nach einer Prostata-Operation
  • Hormonersatztherapie für Frauen nach den Wechseljahren
  • hochselektive Medikamente für die Behandlung akut lebensbedrohlicher Erkrankungen wie Leukämie
  • Antibiotika
  • Aminosäuren für Futtermittel, Stoffwechselerkrankungen oder Nahrungsergänzung
  • Biopestizide (auf Naturbasis, nicht auf Chemiebasis)
  • Biokunststoffe, die Plastik irgendwann überflüssig machen könnten
  • Enzyme für Waschmittel
  • Feinchemikalien wie Alkohole, Zucker, Lösungsmittel, Farbstoffe
  • Nährstoffe wie Vitamin C und Vitamin B
  • Gentechnisch veränderte Bakterien produzieren in streng abgeschotteten Laboren Insulin für Diabetiker.

Diese Errungenschaften retten jedes Jahr weltweit unzählige Leben, steigern die Lebensqualität von Millionen Menschen, ermöglichen medizinische Forschung, machen uns von fossilen Brennstoffen unabhängiger und schützen die Umwelt.

Auch mein täglich Brot im Uniklinikum war zu einem bestimmten Teil von Gentechnik abhängig.

Wichtig: Es geht bei Gentechnik NICHT darum, monströse Pflanzen zu züchten, die mit Pestiziden und Giftstoffen um sich schießen, dornenbesetzte Tentakel besitzen und in Neonfarben leuchten.

Daher kann ich als ausgebildeter Biochemiker nur mit dem Kopf schütteln, wenn mal wieder irgendjemand irgendwo über die Gentechnik herzieht, aber nicht weiß, was es wirklich damit auf sich hat.

Ich hoffe, dass Du hier in Zukunft ein wenig kritischer bist, nicht einfach Ja und Amen sagst, sondern das, was über Gentechnik verbreitet wird, einer Prüfung unterziehst.

Aufklärung in diesem Bereich ist enorm wichtig, denn gegen Gentechnik wird gerne gewettert. In 95 % der Fälle ist das, was über sie gesagt wird, allerdings übertrieben, beruht auf falschen Tatsachen oder entspricht nicht der Realität.

Sicher, es gibt auch negative Beispiele. Aber deswegen gleich die ganze Idee verteufeln? Deswegen alle über einen Kamm scheren, die damit ihren Lebensunterhalt bestreiten und versuchen, die Welt ein wenig besser zu machen?

Nicht vergessen: Gentechnik und Biotechnologie sind Schlüsseltechnologien in diesem Jahrhundert und haben jetzt schon beeindruckende Auswirkungen auf unsere Lebensqualität.

 

Warum Gentechnik halb so wild ist

Es gibt ein paar größere Studien, die von meinungsbildenden Instituten durchgeführt wurden. In ihnen sollte geklärt werden, wie die Bevölkerung zu Gentechnik steht und was sie darüber weiß. Das Ergebnis: Die meisten Menschen haben eine ablehnende Haltung gegenüber Gentechnik, wissen jedoch nicht, was sie ist und um was es dabei geht.

Problematisch ist, dass Gentechnik nach etwas Bösem klingt und mit Horrorfilmen sowie gruseligen Kreaturen mit acht Beinen, zwei Köpfen und vier Augen assoziiert wird. Dabei ist Gentechnik streng genommen nur eine andere Art von Züchtung.

Wolf-Gentechnik nein Danke

Wenn Du das nächste Mal über Gentechnik herziehst, bedenke: Ein Chihuahua war früher mal ein Wolf. Das war Züchtung.

Ergo: Es sollte mehr Aufklärungsarbeit betrieben werden. Gleichzeitig sollten weniger reißerische Beiträge in den Massenmedien publiziert werden. Und es sollte weniger Skandale um manipuliertes Saatgut von Mons***o und Co. geben. All dies lässt die Gentechnik in einem schlechteren Licht dastehen als nötig.

Lass mich Dir erklären, warum Gentechnik wirklich nicht so schlimm ist, wie die meisten meinen, und warum sie unser Leben bereichert.

 

1. Regulierungen

Niemand darf einfach so Gentechnik-Experimente durchführen. Man muss eine entsprechende wissenschaftliche Ausbildung vorweisen und ein unendlich langes Prozedere über sich ergehen lassen, bis mehrere unabhängige Komitees ein Gentechnik-Experiment genehmigen.

Wenn die Experimente an lebenden Organismen wie Mäusen oder Ratten durchgeführt werden, kann das bis zu einem Jahr dauern. Jeder Wissenschaftler weiß, wie schwer es ist, solche Experimente durchführen zu dürfen. Und jedem Wissenschaftler ist klar, wie streng laufende Tierexperimente reguliert, kontrolliert und überwacht werden.

 

2. Einzelne Negativbeispiele

Alle paar Monate wird irgendein neuer Gentechnik-Skandal aufgedeckt. Irgendeine große Firma wie hat mal wieder gentechnisch verändertes Saatgut an arme Bauern in Südamerika verkauft, sie davon abhängig gemacht und erpresst. Das ist natürlich sehr schlimm und absolut verachtenswert.

Dennoch sollte hier nicht die Gentechnik verurteilt werden, sondern die Täter. Gentechnik wird in diesem Zusammenhang als Vehikel für Wut und Ablehnung gegenüber dieser Art von Unternehmenskultur benutzt. Die Massenmedien stürzen sich auf solche Geschichten und bauschen sie unnötig auf, weil sie genau wissen, dass sie damit das Bild bestätigen, das die Bevölkerung hat.

„Gentechnik nein danke!“, „Keine Gentechnik in Deutschland!“ heißt es dann wieder.

Die Gentechnik trifft jedoch keine Schuld, sondern die Großkonzerne, die sie missbrauchen.

 

3. Panik in den Medien

Massenmedien wollen vor allem eins: Umsatz machen. Je mehr Zeitschriften verkauft werden, je mehr online geklickt wird, desto mehr Geld verdienen sie (Spiegel, Focus, Stern, Bild, GMX, Yahoo!, …). Und wie bekommt man die meiste Aufmerksamkeit?

Durch Angst, durch Panikmache, durch reißerische Artikel. Gentechnik liefert hierfür jede Menge Zündstoff (ähnlich wie Atomkraft). Dass die Gentechnik-Artikel allerdings nicht einmal im Ansatz die Realität abbilden, scheint meistens niemanden zu interessieren.

 

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4. Unverständnis

Seit diversen Anti-Gentechnik-Kampagnen in den 80er Jahren ist die Ablehnung so tief in uns verankert, dass meistens nur das Wort fallen muss, um für eine erhobene Faust zu sorgen.

Doch wenn man anfängt, Fragen darüber zu stellen, fallen die Antworten falsch oder spärlich aus: Was ist Gentechnik? Was ist ein Gen? Was ist die DNA und wie kann man sie verändern? Gäbe es mehr Aufklärungsarbeit, würden die meisten Menschen einsehen, dass Gentechnik halb so wild ist.

Außerdem herrscht das weit verbreitete Missverständnis, dass DNA-Sequenzen beliebig gelöscht und ersetzt werden können, so als arbeitete man mit Bleistift und Radiergummi. Dieser Prozess ist jedoch kompliziert, nimmt viel Zeit in Anspruch und muss (bei Tier- und Pflanzenexperimenten) von zig Komitees genehmigt werden.

Außerdem ist es ein großer Unterschied, ob Gentechnik bei einem kleinen Bakterium oder einem größeren Tier angewendet wird. Je größer der Organismus, desto schwerer ein solcher Eingriff.

 

5. Gentechnisch veränderte Pflanzen

Gentechnik-Experimente an Pflanzen sind in Deutschland ähnlich streng reguliert wie solche an Tieren. Allerdings ist man in der Pflanzenbiotechnologie in Deutschland nicht sonderlich aktiv. Bis auf ein paar wenige Ausnahmen wird hier kaum geforscht.

Ein Beispiel für gentechnisch veränderte Pflanzen ist goldener Reis (= Reis, der ß-Carotin produziert und damit für viele Millionen Menschen lebensrettend sein könnte).

Aber Pflanzenmonster, mit denen Anti-Gentechnik-Kampagnen gerne werben, gibt es nicht. Sie würden in Deutschland nicht genehmigt werden und dürften auch nicht produziert werden.

 

6. Biotech-Terrorismus

Theoretisch könnte sich jeder in seiner Garage ein kleines illegales Genlabor einrichten und dort irgendwelche neuen Killerviren herstellen. Theoretisch kann auch jeder in seiner Garage ein paar Bomben bauen und in eine U-Bahn werfen. Entschuldige den harten Vergleich, aber es stimmt doch: Terrorismus ist das Problem, nicht die Gentechnik. Sie wäre nur wieder das Vehikel.

 

7. Was ist mit Glyphosat?

Es gibt gentechnisch veränderte Pflanzen (meist Mais oder Soja), die resistent gegen das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat sind. Es ist bekannt, dass Glyphosat im menschlichen Darm und in den Nieren zu Schäden führen kann, indem es die Kontakte zwischen den Darmzellen lockert und so ein Leaky-Gut-Syndrom begünstigt [1].

Außerdem schadet Glyphosat bekanntermaßen den Bienen, und ohne Bienen wird die Landwirtschaft, wie wir sie kennen, bald kollabieren.

Auch hier ist nicht die Gentechnik der Übeltäter, sondern das Vehikel. Das Problem liegt in Wahrheit bei der industriellen Landwirtschaft, bei schlechten EU-Subventionen, die das noch unterstützen, und bei Großkonzernen, die mit dem Verkauf von RoundupTM & Co. Milliarden verdienen.

 

Was mich persönlich stört: „Milch ohne Gentechnik“

Zum Abschluss würde ich gerne noch auf etwas eingehen, das die meisten täglich auf ihrer Milchpackung lesen: „Ohne Gentechnik“. Das soll suggerieren, dass es sich hier um ein ganz tolles Produkt handelt, von verantwortungsbewussten Bauern und glücklichen Kühen. Doch das Etikett täuscht und soll nur ablenken.

Von was ablenken? Dass es sich hierbei um Milch aus klassischer Massentierhaltung handelt. Diese Kühe sehen selten das Tageslicht, werden mit Mais und Soja gemästet, mit Antibiotika und Wachstumshormonen vollgepumpt, stehen viel zu eng gedrängt und sind chronisch gestresst. Aber dafür keine Gentechnik?! Ganz toll!

Ohne Gentechnik

Ohne Gentechnik? Der Wahnsinn! Muss ein gutes Produkt sein …

 

Fazit – Gentechnik nein danke?

Heute ging es mal nicht um schnelle und einfache Gesundheitstipps, sondern um ein Thema, das mir am Herzen liegt und meist falsch dargestellt wird. Ähnlich wie damals, als ein paar Dinge über die Säure-Base-Theorie gesagt werden mussten.

Wie ist Deine Einstellung zum Thema Gentechnik? Würdest Du mir zustimmen oder etwas ergänzen?

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Quellen
[1] Samsel, A., & Seneff, S. (2013). Glyphosate, pathways to modern diseases II: Celiac sprue and gluten intolerance. Interdisciplinary toxicology, 6(4), 159–184. https://doi.org/10.2478/intox-2013-0026

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2 Kommentare

Isa 24. Februar 2019 - 23:48

Toll, wie du das erklärst, so kann ich als Laie das ganze auch verstehen. Danke dafür. Die Angst, die durch die Medien erzeugt wird, kommt nämlich dadurch, dass wir Bürger einseitig bis gar nicht informiert werden und wie man an diesen Artikel sieht, wäre es auch anders möglich.

Antworten
Markus 5. Oktober 2023 - 15:40

Vielen Dank, dass ihr dieses wichtige Thema angesprochen habt und uns alle dazu ermutigt, bewusste Entscheidungen über unsere Ernährung zu treffen.

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